Apostel verabschiedet
Von einer Sekte zur Freikirche

Foto: nak-west.de

Ende April wurde in Frankfurt am Main Apostel Volker Kühnle, ein hochrangiger Repräsentant der Neuapostolischen Kirche (NAK), nach 22 Jahren als Leiter einer ökumenischen Arbeitsgruppe verabschiedet.

Von Andreas Fincke

Was auf den ersten Blick wie ein alltäglicher Vorgang erscheint, verdient Beachtung. Denn die NAK hat in den zurückliegenden 20 Jahren einen erstaunlichen Reformprozess erlebt. Von einer exklusiven Sondergemeinschaft, für die viele das Wort „Sekte“ benutzt haben, hat sie sich zu einer ökumenisch aufgeschlossenen Freikirche gewandelt.

Dieser Veränderungsprozess war gewiss nicht allein das Werk Volker Kühnles; es gab Mitstreiter in der Arbeitsgruppe und wohlwollende Unterstützung durch das Oberhaupt der NAK, der den Titel „Stammapostel“ trägt. Aber Kühnle war der Lotse in stürmischen Zeiten. Denn der Reformprozess war nicht einfach und stellte die NAK vor Zerreißproben. So gab es einerseits die internetbegeisterten, zumeist „jungen Wilden“, denen alle Reformen zu langsam gingen, und andererseits viele in den Kerngemeinden, denen ihre NAK eine vertraute Heimat war und die keinerlei Veränderung wollten.

Volker Kühnle hat den Reformprozess der letzten Jahre mit diplomatischem Geschick gesteuert und getragen. Besonders eindrücklich ist, dass sich diese Reform aus einer tiefen geistlichen Besinnung speist. Man hat eben nicht nur an der Fassade der NAK ein paar frische Farbtupfer angebracht, sondern immer wieder gefragt, was die Heilige Schrift zu den großen theologischen Themen sagt.

Was ist die wahre Kirche Jesu Christi? Wo findet man sie? Sind Apostel für eine Kirche heilsnotwendig? Was sagt die Schrift über Taufe und Abendmahl? Unzählige Sitzungen hat es gegeben, begleitet vom Bibelstudium und vom Gebet. Man suchte das Gespräch mit Pfarrern und Weltanschauungsexperten aus den großen Kirchen und aus der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK).

Am Anfang waren manche dieser Treffen noch etwas unbeholfen. Aber zunehmend gab es Begegnungen, die im besten Sinne des Wortes in brüderlichem Geist geführt wurden. Diese Fachgespräche wurden nachhaltig. So entstanden wichtige Grundlagentexte beispielsweise zur Taufe, die 2012 in einem völlig neuen Katechismus der NAK mündeten.

Auch in diesem Katechismus sind Sätze zu finden, über die man streiten kann – aber der Blick auf das Gemeinsame ist wichtiger als der Blick auf das Trennende. Die NAK wird ihre eigene Identität behalten. Sie wird auch das für viele andere Christen eigenwillige Amt eines Apostels behalten. Aber jetzt wissen wir, dass wir gemeinsam auf dem Weg zu Christus sind. Wenn Volker Kühnle von Bord geht, ist die Größe unter den kleinen Religionsgemeinschaften in der Ökumene angekommen.

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Online-Redaktion

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