Extremismus
Opferberatungen kritisieren Polizei und Justiz

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, praesentieren am 09.05.2023 die Statistik zur "Politisch Motivierten Kriminalitaet" (PMK) 2022 in Berlin.  | Foto: epd-bild/Christian Ditsch
  • Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, praesentieren am 09.05.2023 die Statistik zur "Politisch Motivierten Kriminalitaet" (PMK) 2022 in Berlin.
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Täglich werden in Deutschland mindestens fünf Menschen Opfer rechter oder rassistisch motivierter Gewalt. Opferberatungsstellen sehen auch die Sicherheitsbehörden in der Pflicht.

Die Zahl rechter, rassistischer und antisemitischer Angriffe ist laut Verband der Beratungsstellen (VBRG) im vergangenen Jahr um rund 50 Prozent auf 2.093 gestiegen. In der am Dienstag in Berlin vorgestellten Statistik wurden Zahlen aus zehn Bundesländern berücksichtigt. Neben den sechs ostdeutschen Ländern sind dies Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Kritik gab es an der Arbeit von Polizei und Justiz.

Die Juristin und Leiterin der Ombudsstelle für das Berliner Antidiskriminierungsgesetz, Doris Liebscher, sagte, allzu oft würden rassistische Motive von Ermittlungsbehörden und von Gerichten nicht als solche erkannt oder berücksichtigt: «Es fehlen flächendeckend Rassismus-Beauftragte bei Polizei und Justiz.»

Der Geschäftsführer der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie Sachsen (RAA), Robert Kusche, sprach von einer zunehmenden «Untererfassung rechter Gewalt». Dies zeige sich auch bei der Verortung von Gewalttaten durch Anhänger von Verschwörungsideologien und der Coronaleugner-Bewegung in der Polizeistatistik zur politisch motivierten Gewalt. Betroffene fühlten sich dadurch im Stich gelassen.

Laut Statistik waren im vergangenen Jahr 2.871 Menschen von den Angriffen betroffen. Davon waren 520 Kinder und Jugendliche, eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr (2021: 288). Gewalttaten stiegen um mehr als 15 Prozent auf 1.340 Fälle, darunter vor allem Körperverletzungsdelikte, Nötigungen und Bedrohungen.

Mehr als die Hälfte aller Angriffe (1.088 Fälle) sei rassistisch motiviert gewesen, hieß es weiter. Sie hätten sich überwiegend gegen Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrungen sowie schwarze Deutsche gerichtet. Immer wieder hätten Ermittlungsbehörden dabei Rassismus als Tatmotiv verschwiegen, lautete der Vorwurf unter Hinweis auf Beispiele.

Die Anzahl antisemitisch motivierter Angriffe stieg demnach im Vergleich zum Vorjahr um etwa das Vierfache auf 204 Fälle (2021: 54). Die Anzahl der von den Opferberatungsstellen registrierten trans- und queerfeindlichen Angriffe verdoppelte sich gegenüber 2021 auf 174 und forderte ein Todesopfer: Malte C. starb laut VBRG am 2. September 2022, als er bei einem queerfeindlich motivierten Angriff beim CSD-Münster intervenierte und dabei tödliche Verletzungen erlitt.

Unter den Angriffen gegen sogenannte politische Gegner (387 Fälle) befanden sich laut Statistik auch 84 Journalisten (2021: 51). Kusche forderte eine langfristige Finanzierung der Beratungsstellen. Zwar gebe es in allen Bundesländern Opferberatungsstellen. Ein entsprechendes Monitoring von Gewaltvorfällen könnten aber nicht alle leisten.

Laut Opferberatungsstellen ist die Entwicklung in den Ländern uneinheitlich. So seien in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern die registrierten rechten und rassistische Gewalttaten im Vergleich zum Vorjahr erheblich gestiegen. Gemessen an der Einwohnerzahl wurden aber die meisten rechten Gewalttaten in Berlin (7,9 pro 100.000 Einwohner), Sachsen-Anhalt (6,3) und Thüringen (5,9) gezählt. (epd)

Autor:

Katja Schmidtke

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