Konflikte
Friedensforscher rechnen mit einem langen Krieg gegen die Ukraine

Die vier führenden deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute stellten ihr diesjähriges Friedensgutachten in Berlin vor.  | Foto: epd-bild/Christian Ditsch
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Die deutschen Friedensinstitute sehen im Krieg gegen die Ukraine gegenwärtig keinen anderen Ausweg, als das überfallene Land militärisch zu unterstützen. Verhandlungen könnten nur international und mit Sicherheitszusagen geplant werden.

Die führenden deutschen Friedensinstitute fordern von der Bundesregierung eine langfristige militärische Unterstützung der Ukraine. Bei der Veröffentlichung ihres Jahresberichts erklärten sie am Montag in Berlin, es sei kein Ende der Gewalt gegen das von Russland überfallene Land in Sicht. Sie warnten ausdrücklich davor, zum gegenwärtigen Zeitpunkt allein auf Verhandlungen zu setzen, wie es in den letzten Monaten von zivilgesellschaftlichen Initiativen und rechten Gruppen gefordert worden war.

Deutschland müsse vielmehr eine langfristige Doppelstrategie entwickeln. «Wir reden nicht über Monate, sondern über Jahre oder sogar Jahrzehnte», die die Ukraine auf militärische, politische und ökonomische Hilfen angewiesen sein werde, erklärte Nicole Deitelhoff vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). In ihrem Gutachten 2023, das den Titel «Noch lange kein Frieden» trägt, empfehlen die Friedensforschungsinstitute, die Bevölkerung darüber aufzuklären, dass die Unterstützung der Ukraine noch lange notwendig sein werde.

Parallel dazu müsse die Bundesrepublik helfen, eine internationale Verhandlungsinitiative vorzubereiten, die mit umfangreichen Sicherheitsgarantien für die Ukraine verbunden sein müsse.

Die Institute empfehlen, die private Wagner-Armee zu sanktionieren, die auf russischer Seite kämpft, die internationale Rüstungskontrolle auszuweiten und instabile Gesellschaften im Globalen Süden zu stärken. Die weltweiten Auswirkungen des Ukraine-Kriegs zeichneten sich immer stärker ab. Die Hälfte aller bewaffneten Konflikte finde zudem nach wie vor in afrikanischen Ländern statt. In vielen dieser Konflikte nehme die Gewalt zu, konstatierten die Forscher. Die Zahl der Todesopfer habe sich etwa in Äthiopien, im Jemen und in Somalia im vergangenen Jahr nahezu verdoppelt. Die Konfrontation zwischen den beiden mächtigsten Generälen im Sudan zeige, wie schnell schwelende Konflikte wieder aufflammen könnten.

Im vorigen Jahr hatten die deutschen Friedensforschungs-Institute vor einer Eskalation des Ukraine-Kriegs bis hin zum Atomkrieg gewarnt. Inzwischen sprechen sie davon, dass sich der Krieg zunehmend zu einem «Abnutzungskrieg» entwickelt. Kriege die nicht im ersten Jahr beendet würden, hätten eine hohe Wahrscheinlichkeit, zu langen Kriegen von bis zu zehn Jahren zu werden.

Das Friedensgutachten erscheint jährlich seit 1987. Beteiligt sind die Friedensforschungsinstitute Bonn International Center for Conversion (BICC), das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) sowie das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen. Vor zwei Jahren, im Jahr 2021 hatten die Institute angesichts der destabilisierenden Folgen der Pandemie noch eine weltweite Senkung der Militärausgaben zugunsten einer Covid-19-Friedensdividende sowie eine Abkehr vom Zwei-Prozent-Ziel für Militärausgaben gefordert.

Am Montag hatte auch das Friedensforschungsinstitut Sipri in Stockholm seinen Jahresbericht veröffentlicht und vor der steigenden Zahl einsatzfähiger Atomwaffen gewarnt. Die neun Nuklearmächte modernisierten ihre Kernwaffenarsenale, hieß es. 90 Prozent aller Atomwaffen im Besitz der USA und Russlands seien zwar nicht aufgestockt worden, doch habe die Transparenz über die Bestände seit dem Überfall auf die Ukraine abgenommen. (epd)

Autor:

Katja Schmidtke

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