Antisemitismus
«Die Aktualität des Gedenktags macht mir Angst»

Der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, Ralf Meister | Foto: epd-bild/Jens Schulze
  • Der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, Ralf Meister
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Landesbischof Ralf Meister aus Hannover macht sich große Sorgen über die zunehmende Bedrohung und Einschüchterung von Jüdinnen und Juden in Deutschland. Mit Blick auf den 85. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November sagte der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) Michael Grau vom Evangelischen Pressedienst.

epd: Herr Meister, vor 85 Jahren brannten in ganz Deutschland die Synagogen. Heute werden auf den Straßen wieder judenfeindliche Parolen gebrüllt. Ist der 85. Jahrestag der Reichspogromnacht eine Mahnung für uns heute?
Ralf Meister: Die Aktualität des Gedenktags macht mir, ehrlich gesagt, Angst. Es sollte selbstverständlich sein, dass jüdisches Leben hier in Deutschland unbeschwert möglich ist. Das ist es aber ganz und gar nicht. Es ist unerträglich, wenn mitten in deutschen Städten antisemitische Parolen gegrölt und plakatiert werden, wenn Synagogen, jüdische Friedhöfe und Mahnmale polizeilich beschützt werden müssen, wenn jüdische Eltern Angst haben, ihre Kinder in Kitas und Schulen zu schicken.

Was kann jeder Einzelne tun, um sich gegen Judenhass zu wenden?
Jeder und jede von uns hat eine besondere Verantwortung, sich in der Erinnerung an die schreckliche Geschichte der Deutschen im Umgang mit Jüdinnen und Juden für ein Miteinander aller Menschen im Geist der Nächstenliebe einzusetzen. Ob jemand gläubig ist oder
nicht: Wir müssen alle mithelfen, das Land des einstigen Nazi-Terrors zu einem Land des friedlichen Miteinanders und gegenseitigen Respekts zu machen und als solches zu erhalten. Da darf es nicht beim Reden bleiben, sondern wir müssen auch ganz praktisch schauen: Wo können wir Begegnungen organisieren? Wo brauchen jüdische Menschen bei uns Unterstützung? Wie können wir wirkungsvoll widersprechen, wenn wir antisemitischen Parolen hören? Wo leisten wir vielleicht unbewusst antisemitischen Narrativen Vorschub? Und als Kirche müssen wir immer wieder klar und deutlich sagen: Antisemitismus ist Gotteslästerung.

Gibt es etwas, das Ihnen aktuell Hoffnung macht?
Ich bin schon ziemlich desillusioniert, gerade auch, wenn ich die aktuellen Statistiken zu antisemitischen Straftaten sehe.
Aber: Es gibt auch viele gute und wirkungsvolle Initiativen. Etwa an Schulen, wo die ganze Schulgemeinschaft gezielt, kontinuierlich und mit viel Engagement gegen Antisemitismus arbeitet. Davon brauchen wir auch an anderen Stellen mehr, und da müssen die Kirchen, aber auch staatliche Stellen und weitere Player sich stärker engagieren als bisher. Mit Blick auf Hannover können wir uns glücklich schätzen über den so engen und vertrauensvollen Austausch mit unseren jüdischen Geschwistern.

Autor:

Katja Schmidtke

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