Pfingsten
Bunter Vogel Freiheit

- Die Taube als Symbol des Heiligen Geistes in der Kuppel des Berliner Doms
- Foto: epd-bild/Rolf Zöllner
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Viele nutzen die Feiertage für eine frühlingshafte Auszeit vom Alltag – frei von Zwängen und Verantwortlichkeiten. Um aber wirklich frei zu sein, braucht es mehr.
Von Petra Schwermann
Pfingsten: Das ist ein langes, freies Wochenende. Haben Sie schon Pläne? Ich wünsche mir Zeit für das Buch, das ich schon lange lesen will, und um einfach nur dazusitzen und die Nase in die Sonne zu halten. Pfingsten, ein Fest der Freiheit also? Die Sehnsucht, einfach mal raus zu sein, ohne Arbeit und Verpflichtungen, innerlich und äußerlich frei, ist hochaktuell. Das zeigt der Werteindex, die größte deutsche Studie zum gesellschaftlichen Wandel, die zuletzt am 15. Mai veröffentlicht wurde: Auf den ersten Plätzen stehen Freiheit, Sicherheit und Erfolg.
Was aber ist Freiheit für uns heute – ein Gefühl, eine innere Haltung, eine bedrohte Realität? Ich lese bei Martin Luther nach. Der schreibt im Jahr 1520: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“
Was in alter Sprache sperrig daher kommt, heißt nichts anderes als: Du bist innerlich frei. Gottes Geist befreit dich von den Zwängen, in denen du dich gefangen fühlst. Zugleich aber bist du nicht allein auf dieser Welt. Du hast Verantwortung für die Menschen, die dich umgeben.
Es braucht also einen guten Geist, um richtig frei zu sein – heute genauso wie zu Luthers Zeiten und zu jenen der ersten Christen. Von Letzteren wird erzählt, wie sie ratlos beisammen sitzen und sich fragen: Wie soll es bloß weitergehen? „Da mache ich nicht mehr mit“, sagen die einen. „Was steht jetzt an?“, fragen die anderen. Und manche, die gute und neue Ideen haben, trauen sich nicht aus der Deckung. „Wer weiß“, denken sie, „ob meine Meinung überhaupt gefragt ist?“
Und doch bewegt sich etwas. Ein Brausen über ihren Köpfen, ein mächtiger Sturm, Feuer. Mit Naturgewalten wird beschrieben, wie plötzlich und wie existenziell die Veränderung ist. Auf einmal spüren sie wieder Kraft, haben Energie und Lebensmut, machen den Mund auf und werden verstanden. Was für ein Geist, der das bewirkt!
Diesen Geist wünsche ich mir, immer wieder, gegen Zweifel und Mutlosigkeit, in mir selbst, in unserem Miteinander, in unserer Gesellschaft. Uralt ist er und doch immer wieder neu: ein Sturm, der über den ersten Jüngern braust, ein göttlicher Hauch, der uns den Lebensatem gibt, eine Taube, die über der Taufe schwebt und zu einem Friedenszeichen wird.
Der Geist weht, wo er will. „Der Heilige Geist ist ein bunter Vogel“, so hat es der Theologe Wilhelm Willms (1930–2002) beschrieben in einem Gedicht. Der Geist begegnet uns in unterschiedlichsten Farben, erfüllt uns, begleitet und beschützt uns, fordert und beflügelt uns. Manchmal schiebt er uns auf neue Wege. Dann wieder begegnet er uns in Menschen, die ein Stück des Weges mit uns gehen. „Er ist da, wo einer den anderen trägt“, sagt Bischof Willms. Da, wo wir einander tragen, einander aushalten, einander beistehen, mitgehen. Da lässt sich "der bunte Vogel" bei uns nieder. Und genau das ist Pfingsten: jedes Jahr wieder und jedes Jahr anders und neu.
Die Autorin leitet das Dezernat Bildung und Gemeinde im Landeskirchenamt der EKM.
Der Heilige Geist ist ein bunter Vogel
der Heilige Geist ist ein bunter Vogel
der Heilige Geist
er ist nicht schwarz
er ist nicht blau
er ist nicht rot
er ist nicht gelb
er ist nicht weiß
der Heilige Geist ist ein bunter Vogel
er ist da
wo einer den andern trägt
der Heilige Geist ist da
wo die Welt bunt ist
wo das Denken bunt ist
wo das Denken und Reden und Leben gut ist
der Heilige Geist lässt sich nicht einsperren
nicht in katholische Käfige
nicht in evangelische Käfige
der Heilige Geist ist auch kein Papagei der nachplappert
was ihm vorgekaut wird
auch keine dogmatische Walze
die alles platt walzt
der Heilige Geist
ist spontan
er ist bunt
sehr bunt
und er duldet keine Uniformen
er liebt die Phantasie
er liebt das Unberechenbare
er ist selbst unberechenbar Da, wo wir einander tragen, da lässt sich ,der bunte Vogel‘ bei uns nieder.
Wilhelm Willms (1930-2002)


Autor:Online-Redaktion |
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