Nachgefragt
Tief verwurzelt

Symbolbild | Foto: pixabay.de

Dass auch Männer, die Opfer von Gewalt werden, Schutz und Unterstützung brauchen, ist weiterhin mit einem Tabu belastet. Dabei kann das Rollenbild des "starken Mannes" gravierende Folgen haben, mahnt Enrico Damme von der Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz im Gespräch mit Johannes Senk.

Was hindert Betroffene, über Gewalterfahrung zu sprechen?
Wenn sie emotionale Probleme haben, versuchen Männer eher allein, diese zu lösen. Das Problem ist zuerst eines des Zugangs zu Beratung, des Sich-Aufmachens dazu. Das für solche Befunde maßgeblich verantwortliche einseitige Rollenbild des "starken Mannes" ist nach wie vor tief verwurzelt. Wer glaubt, mit dem Zeigen von Gefühlen wie Angst oder Scham jenseits der Norm zu stehen, sucht sich nur bei wirklich existenziellen Bedrohungen Hilfe – oft also sehr spät.

Wie kann das Thema aus der Tabuzone geholt werden?
In der Werbung, in klischeebelasteten Mediendarstellungen und auch im politischen Diskurs werden Männer häufig als willensstark, zielsicher und körperlich überlegen dargestellt. Männer mit Lebensstilen, die dazu quer liegen, werden häufig femininer gezeigt, obwohl sie im Grunde die schweigende Mehrheit der Gesellschaft ausmachen. Um zum Beispiel häusliche Gewalt gegen Männer aus der Tabuzone zu holen, muss es ein öffentliches Bewusstsein dafür geben, dass Männer auch verletzlich sein können. Es sind dringend Differenzierungen nötig, wollen wir die hohen Folgekosten männlicher Gewaltbetroffenheit etwa im Renten- und Gesundheitssystem senken. Auch Ärzte, Polizei, Beratungsstellen sollten für die Thematik sensibilisiert sein und die örtlichen Hilfeangebote kennen.

Ist es möglich, über Schutz für gewaltbetroffene Männer zu sprechen, ohne dabei Gewalt gegen Frauen zu relativieren?
Ja, das ist möglich. Wir betonen immer wieder, dass das bestehende Hilfesystem für alle Betroffenen häuslicher Gewalt ausgebaut werden muss. Dies fordert im Übrigen auch die Istanbul-Konvention, so wie wir sie verstehen.

(kna)

Autor:

Online-Redaktion

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

29 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.