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Geistlicher Missbrauch: Ein «spezifisch kirchliches Phänomen»

Der Bischof des katholischen Bistums Fulda, Michael Gerber | Foto: epd-bild/Christof Krackhardt
  • Der Bischof des katholischen Bistums Fulda, Michael Gerber
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Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hat eine Arbeitshilfe zum Umgang mit geistlichem Missbrauch vorgestellt. Dieses Phänomen habe «fast immer auch den sexuellen Missbrauch» vorbereitet, heißt es.

Bei ihrer Herbst-Vollversammlung hat die katholische Deutsche Bischofskonferenz ihre Arbeitshilfe zum Umgang mit geistlichem Missbrauch vorgestellt. Der Text gehe auf die Initiative von Betroffenen zurück, die sich an die Bischofskonferenz gewandt hätten, sagte der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, am Dienstag in Wiesbaden. «Öffentliches Interesse an dem, was geistlicher Missbrauch anrichtet, gab und gibt es leider immer noch viel zu wenig», sagte Timmerevers, der Vorsitzender der Kommission für Erziehung und Schule der Bischofskonferenz ist.

Am Dienstag wurde zudem der Fuldaer Bischof Michael Gerber als neuer stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz vorgestellt. Die Bischöfe wählten den 53-Jährigen zum Nachfolger des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode. Bode war im März zurückgetreten. Seine Amtszeit als Stellvertreter des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hätte jedoch ohnehin diesen Herbst geendet.

In der Publikation zum geistlichen Missbrauch geht es um Situationen von Machtmissbrauch, in denen Täter ihr geistliches Amt oder die ihnen zugeschriebene geistliche Autorität nutzen, um anderen die eigenen religiösen Auffassungen, Werte oder Überzeugungen aufzudrängen. Opfer würden so etwa zu bestimmten Verhaltensweisen und Handlungen gezwungen. Die Arbeitshilfe gibt Anregungen zur Einrichtung von Anlaufstellen für Betroffene und zur Beratung von Betroffenen.

«Anders als beim sexuellen Missbrauch hat es praktisch nie Eintragungen in die Personalakten der Täter gegeben», sagte Timmerevers. Beim geistlichen Missbrauch seien die Betroffenen in den oft jahrelangen Zeiträumen des Missbrauchs bereits erwachsen gewesen. Die Ansprechpersonen der Bistümer für Betroffene sexualisierter Gewalt seien für sie nicht zuständig.

Beim geistlichen Missbrauch sei es, sofern dieser nicht in Verbindung mit sexuellem Missbrauch geschah, bisher nie zu einer Strafverfolgung durch Staatsanwaltschaften gekommen. «Geistlichen Missbrauch als Straftat kennt selbst das kirchliche Strafrecht noch nicht und das öffentliche Strafrecht hilft uns hier auch nicht sehr viel weiter», sagte Timmerevers.

Dabei sei geistlicher Missbrauch ein spezifisch kirchliches Phänomen, das fast immer auch den sexuellen Missbrauch in der Kirche vorbereitet habe. Die psychischen, emotionalen, biografischen und existenziellen Folgen seien mit «denen des sexuellen Missbrauchs vergleichbar», sagte Timmerevers. Berichte von Betroffenen und Veröffentlichungen machten deutlich, «dass es sich hier um einen ganzen Komplex von missbräuchlichen Taten und einen umfassenden Kontext von geistlicher Manipulation und Entmündigung handelt», sagte der Bischof.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung zum Phänomen des geistlichen Missbrauchs sei noch lange nicht abgeschlossen, sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Er sei daher dankbar, dass die Bistümer Osnabrück und Münster mit den Universitäten der beiden Städte ein Forschungsprojekt zu diesem Phänomen betrieben, das «uns hoffentlich weitere allgemeingültige Erkenntnisse zum Umgang mit dem Missbrauch geistlicher Autorität geben wird».

Um Betroffenen helfen zu können, hätten zahlreiche Bistümer inzwischen eigene Ansprechpersonen für den Bereich des geistlichen Missbrauchs benannt, sagte Kohlgraf. Bereits 2020 sei auf Bundesebene durch die Pastoralkommission eine Anlaufstelle für Frauen eingerichtet worden, die als Erwachsene geistliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren haben. Die «große Mehrzahl der Betroffenen» habe demnach geistliche oder psychische Gewalt erfahren. «Nur etwa zehn Prozent berichteten von sexualisierter Gewalt in Form von sexuellen Übergriffen oder Vergewaltigung», sagte Kohlgraf. Auch Männer hätten sich vermehrt an diese Anlaufstelle gewandt.

Für 2026 ist bereits eine Evaluation der Arbeitshilfe auf Grundlage aktueller Entwicklungen in Wissenschaft und Praxis angekündigt. (epd)

Autor:

Katja Schmidtke

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