Blickwechsel
"Zäune lösen Problem nicht"

Der Zionsfriedhof in Jerusalem.
Der Zionsberg hat als Bestattungsort eine lange Tradition. Zuletzt sind Gräber auf dem historischen protestantischen Friedhof geschändet worden. | Foto: epd-bild/Norbert Neetz
  • Der Zionsfriedhof in Jerusalem.
    Der Zionsberg hat als Bestattungsort eine lange Tradition. Zuletzt sind Gräber auf dem historischen protestantischen Friedhof geschändet worden.
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 In Jerusalem ist einmal mehr eine christliche Stätte Ziel von Vandalismus geworden. Sicherheitskameras zeichneten auf, wie zwei mit Kippa und dem traditionellen Tallit Katan gekleidete Männer am Nachmittag des 1. Januar Grabsteine und Kreuze auf dem historischen protestantischen Friedhof auf dem Zionsberg zerstörten.

von Andrea Krogmann

Gegen die Täter müsse hart vorgegangen werden, forderte der anglikanische Erzbischof von Jerusalem, Husam Elias Naoum. Bereits 2013 wurden 32 Gräber des Friedhofs am Südwesthang der Jerusalemer Altstadt zerstört. Bis heute erinnern Kittstellen an reparierten Kreuzen und Grabsteinen an die Tat. Die Täter wurden laut dem Erzbischof nie zur Rechenschaft gezogen. Zwar gab es Festnahmen, die Verdächtigen wurden jedoch nach wenigen Tagen wieder entlassen.

Der Jerusalemer Zionsberg hat als Bestattungsort eine lange Tradition. Juden, Muslime und christliche Konfessionen teilen sich posthum die heilige Erde. Heute finden sich auf dem historischen Friedhof Gräber von Wissenschaftlern, Politikern, Menschen aus der Armee, Klerikern und Bischöfen sowie anderen bedeutenden Personen, die zur Geschichte Jerusalems und dem Leben der Menschen darin beigetragen haben.

Naoum, dessen Kirche sich den Friedhof mit der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde Jerusalems teilt, zeigte sich schockiert vom Ausmaß der Schäden. "Erneut wurden mehr als 30 Grabsteine und Kreuze in Stücke zerschlagen. Die Aufzeichnungen zeigen mindestens zwei jüdische Extremisten", so der Erzbischof.

Die Täter seien mit großer Gewalt vorgegangen, sagt auch Yisca Harani. Die jüdische Israelin ist Trägerin des von der deutschsprachigen Benediktinerabtei Dormitio in Jerusalem mitverliehenen Dialogpreises "Mount Zion Award". Sie ist langjährige Beraterin mehrerer israelischer Ministerien in Fragen des Christentums und engagiert sich in zahlreichen Dialogprojekten von Juden und arabischen Christen im Land. "Die Täter haben mit Felsbrocken auf Grabsteine und Kreuze eingeschlagen. Ein Grabstein wurde über die Außenmauer des Friedhofs geworfen."

Zu den zuletzt beschädigten Gräbern zählt jenes des zweiten anglikanischen Bischofs von Jerusalem, Samuel Gobat, der 1848 das Land für den Friedhof erwarb. Die Umfassung des Grundstücks ist an ihrer Ostseite zu niedrig, um ein unbefugtes Eindringen effektiv zu verhindern. In die Mauern eingelassene Metallpfosten zeugen vom Versuch der Kirchen, einen zusätzlichen Zaun zu errichten. "Aber wir gerieten zwischen die Fronten der Antikenbehörde und der Stadtverwaltung", erklärt Naoum. Streitigkeiten über Bauvorschriften und Standards haben den zusätzlichen Schutz bis heute verhindert. So oder so: "Zäune und Kameras lösen das Problem nicht", sagt Erzbischof Naoum. Vielmehr gelte es, "zu den Herzen der Menschen auf dem Zionsberg zu sprechen, wie wir ohne Hass und in Akzeptanz des anderen in Frieden und Harmonie leben können".

Direkte Konflikte zwischen den Friedhofsbesitzern und jüdischen Siedlern auf dem Zion gibt es nach Worten Naoums nicht. "Wir haben allerdings eine Zunahme an Hassrede und Hassverbrechen festgestellt. Dies ist ein Hinweis darauf, dass wir nicht an einem Ort sind, an dem Menschen einander tolerieren oder akzeptieren. Wir sehen mehr und mehr Aus- und Abgrenzung, was uns betrübt." Jerusalem sei eine Stadt des Friedens und der heiligen Stätten. Dieses "leuchtende Vorbild der Hoffnung", so der Erzbischof, gelte es zu erhalten.

(kna)

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Online-Redaktion

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