Blickwechsel
Syrien: Schicksal der Christen in Afrin weiter ungewiss

Protest: Die GfbV macht auf die lebensbedrohliche Lage der Minderheiten in Afrin aufmerksam, wie hier vor dem Auswärtigen Amt.  | Foto: Hanno Schedler
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Fünf Jahre nach der Verschleppung zweier Bischöfe von Aleppo durch radikale Islamisten erinnert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) auch an die rund 1 000 Christen aus dem nordsyrischen Afrin. Ihr Schicksal ist nach dem Einmarsch der türkischen Armee und verbündeter islamistischer Milizen ungewiss.
Von Kamal Sido

Es ist zu befürchten, dass Christen das Schlimmste erleiden müssen, wenn sie von Radikalislamisten erkannt werden. Unter den Angehörigen der kleinen christlichen Gemeinde von Afrin sind viele konvertierte Muslime. Sie fanden die Gräueltaten islamistischer Terrormilizen so abstoßend, dass sie zum christlichen Glauben übergetreten sind. Für Islamisten müssen Abtrünnige, die vom Islam abgefallen sind, beseitigt werden.
Türkische Soldaten werden und wollen die Zivilbevölkerung nicht vor Islamisten schützen. Augenzeugen berichteten, dass islamistische Milizen ungehindert marodierend durch die Straßen ziehen, in regelrechten Raubzügen Häuser ausplündern, Zivilisten schikanieren, sie in Angst und Schrecken versetzen. In Afrin gilt praktisch schon die Scharia, das islamische Recht. Selbst 13-jährige muslimische Mädchen, die zwar ein Kopftuch tragen, aber kein langes Gewand, werden bereits böse ermahnt.
Für Christen bleibt nur die gefahrvolle Flucht, wenn sie ihren Glauben nicht verleugnen wollen. Insgesamt ist die Lage der Christen in Syrien, aber auch in der benachbarten Türkei, äußerst besorgniserregend. 103 Jahre nach Beginn des Völkermordes an den Armeniern und den assyrisch- aramäischen Christen im Osmanischen Reich am 24. April 1915, müssen sie nun wieder um ihr Überleben bangen.
Ein Lebenszeichen der beiden am 23. April 2013 in Nordsyrien verschleppten geistlichen Würdenträger gibt es bis heute nicht. Zu der Entführung des Erzbischofs der syrisch-orthodoxen Kirche, Mor Gregorius Yohanna Ibrahim, und des Erzbischofs der griechisch-orthodoxen Kirche, Boulos Yazigi, hat sich bisher auch niemand bekannt. Da jedoch schon damals islamistische Gruppierungen im Nordwesten Syriens nahe der türkischen Grenze ihr Unwesen trieben, Christen als Geiseln nahmen und Lösegeld erpressten, liegt der Verdacht nahe, dass die Bischöfe Opfer dieser Terrormilizen wurden. Dafür spricht auch die Skrupellosigkeit der Täter. Der Fahrer der beiden entführten Würdenträger, ein Diakon, wurde bei dem Überfall kaltblütig erschossen.
Auf Vorschlag der GfbV wurden die beiden Bischöfe 2014 in Abwesenheit für ihren Einsatz als Vermittler, Botschafter und Kämpfer für Menschenrechte im anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien mit dem Weimarer Menschenrechtspreis ausgezeichnet.

Autor:

Adrienne Uebbing

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