Blickwechsel
»Ihr sollt meine Zeugen sein« – auf serbisch

»Wie kannst du nach Serbien fahren? Da ist doch immer noch Krieg!« Mit solchen Sätzen wurden engagierte, ökumenische Laien gewarnt. Sie wollten anlässlich der Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) nach Novi Sad in Serbien reisen. Sie fuhren trotzdem, erlebten wenig von der KEK, dafür viel von und mit den christlichen Kirchen vor Ort.
Von Annemarie Müller

Unter der Überschrift »Ihr sollt meine Zeugen sein« trafen sich die KEK-Delegierten, um über Gastfreundschaft, Zeugnis und Gerechtigkeit nachzudenken. Wie Christen in der autonomen serbischen Provinz Vojvodina dies leben, danach fragte die deutsche Gruppe. Ihnen wurde deutlich, das in Deutschland vorherrschende Bild über Serbien ist einseitig und
veraltet.
So stießen sie bei der Ökumenischen Hilfsorganisation (EHO) in Novi Sad auf Projekte zum gerechten Umgang mit aus Deutschland zurückgeschickten Roma-Flüchtlingen. Meist aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen verlassen die Familien das Land. Sie erhalten in Deutschland bessere Sozialunterstützung als in Serbien. Nach mehreren Monaten werden sie nach Serbien zurückgeschickt, beziehungsweise reisen freiwillig aus, da ihr Asylantrag abgelehnt ist. Die Kinder haben oft keine serbischen Sprachkenntnisse, ihre Eltern keine Papiere und wissen nicht, wo sie wohnen sollen. In solch schwieriger Situation finden sie bei EHO eine erste Anlaufstelle. Ihnen wird geholfen, sich registrieren zu lassen, die nötigen Papiere zu erhalten und später vielleicht auch in ein Programm zur Verbesserung der Lebensbedingungen zu gelangen. EHO – so erlebte es die Gruppe – bemüht sich um gerechteren Umgang mit den Ärmsten, den Roma, in Serbien.
In Pivnica besuchte die Gruppe einen christlichen Kindergarten. Er wird von der kleinen evangelisch-methodistischen Gemeinde getragen, meistens Slowaken. Fünfzehn Kinder werden hier liebevoll am Vormittag betreut. Es wird nicht gefragt, welchen Glauben sie haben oder aus welcher ethnischen Gruppe sie kommen. Dazu muss man wissen, dass die Vojvodina im Norden Serbiens eine Region ist, wo, nicht zuletzt bedingt durch die Habsburger Monarchie, mehr als 20 verschiedene Ethnien mehr oder weniger gut zusammen leben. Der Kindergarten gibt dabei ein eindrucksvolles christliches Zeugnis ab, wie man friedlich zusammenleben kann.
Überwältigende Gastfreundschaft war überall erlebbar. In der Hitze war es selbstverständlich, kühles Wasser oder Kaffee bei den Gemeindebesuchen gereicht zu bekommen. Im serbisch-orthodoxen Kloster Veliki Remeta, in der Fruška Gora südlich von Novi Sad, empfing der alte weißhaarige Abt, Vater Stepan. Schon 30 Jahre lebt er hier, kein weltfremder Mann. Ohne Bitterkeit registriert er, dass christliche Werte in Europa an Bedeutung verlieren. Seine Aufgabe sieht er im Beten und darin, in seinem Kloster gastfrei zu sein.
Mehr von serbischer Gastfreundschaft kann jeder selbst erleben: 2021 gehört Novi Sad zu den Europäischen Kulturhauptstädten und ist unbedingt eine Reise wert.

Autor:

Online-Redaktion

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