Nachruf
Trauer um Karl-Heinz Jagusch

Wir trauern um Karl-Heinz Jagusch – den Thüringer Altpräsidenten, der Synode von der Gemeinde her dachte.
„Kirche muß diakonisch, ökumenisch, politisch und fromm sein. Setzen Sie die Prioritäten richtig: Zuerst kommt das Frommsein, der Glaube, dann alles andere.“ Das rief Jagusch unserer EKM-Synode zu, als es wieder mal weniger um kirchliche, eher um aktuelle gesellschaftspolitische Themen ging.
Jagusch scheute kein gesellschaftliches Engagement. Dafür ging er in den 50-ern in das Zuchthaus. Als „echte Laien“ wurden wir beide u.a. in die Synode des DDR-Kirchen-bundes entsandt. Deren Äußerungen zu Missständen der DDR - stellvertretend für jene, denen das Gehör verweigert wurde - hörte man nicht nur im Ausland. Wir tauschten uns aus, wie wir dafür an unserer Arbeitsstelle im volkseigenen Betrieb und bei sich nicht zu erkennen gebenden „Organen“ einstehen musste. Vehement trat er später der These entgegen, die Thüringer Kirche sei „Stasi gelenkt“.
Mit der friedlichen Revolution 1990 veränderte sich viel, nicht alles. Die Spannungen in unserer Kirche waren groß: z.B. Religionsunterricht in der Schule, Gründung von Schulen in kirchlicher Trägerschaft, Übernahme von Einrichtungen der Jugendhilfe mit vorhandenem, jedoch kaum christlichem Personal, westliches Kirchensteuersystem, Seelsorge für Soldaten – stets ja oder nein. Botschaft und Auftrag der Kirche aber blieben. Es war für die Thüringer Synode ein Segen, dass der klardenkende Mathematiker Karl-Heinz Jagusch unser Präsident wurde. Er verstand es nüchtern und geduldig, Raum für den Austausch sachbezogener Argumente zu bieten. So bereitete er den Boden für viele Entscheidungen in großer Einmütigkeit.
Seine Vertrauenswürdigkeit und Aufrichtigkeit führten wohl dazu, dass Jagusch 1990 Betriebsrat bei Schott in Jena wurde und notwendige wie schwierige Umstrukturierungsprozesse arbeitnehmerseitig mitgestaltete – auch durchlitt. Diese Erfahrung brachte er in unsere kirchlichen Umstrukturierungen mit. Früh erkannte er, dass der erhoffte „Geldsegen“ so nicht eintraf und wir schmerzhaft konsolidieren mussten. “Kirchliche Strukturen müssen einfache Zweckbauten sein“. Daher wurde er frühzeitig Befürworter der Vereinigung der mitteldeutschen Kirchen. Er mahnte stets, nicht um das Erstrebenswerte zu streiten, sondern zu suchen, was für die Gemeinde wesentlich ist. Hier wurde wieder das Gemeindeglied erkennbar. In sehr streitiger Zeit gab er der Synode eine Atempause und führte das Mittagsgebet ein und trug so mit Gottes Hilfe dazu bei, dass die Synode beieinanderblieb. Mit einem Schmunzeln singe ich noch heute folgende Liedzeile: „Er segnet was du planst. Er weiß auch, dass du‘s nicht verstehst und oft nicht einmal ahnst.“
Wenige Tage vor seinem 84. Geburtstag verstarb Karl-Heinz Jagusch in Jena. Unsere Kirche hat allen Grund, für sein Wirken in unseren Synoden dankbar zu sein und seine Mahnungen zu beherzigen. Seine Familie hat seinen Dienst in unserer Kirche stets mitgetragen. Wir wünschen ihr, dass sie sich getröstete fühlen kann, wenn er jetzt schauen darf, was er geglaubt hat.
Steffen Herbst
Altpräsident der Thüringer Synode und 1. Vizepräses der Synode der EKM

Autor:

Online-Redaktion

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