Schmähskulpturen: ein schwieriges Erbe
Der Trend geht zum Belassen

Am Bundesgerichtshof in Karlsruhe wird über den Umgang mit der Schmähskulptur "Judensau" verhandelt. | Foto: Joe Miletzki
  • Am Bundesgerichtshof in Karlsruhe wird über den Umgang mit der Schmähskulptur "Judensau" verhandelt.
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Sie sind an mehreren Dutzend evangelischen und katholischen Kirchen zu finden: Es geht um Darstellungen wie das mittelalterliche Schmährelief an der Wittenberger Stadtkirche, das als "Judensau" bekannt ist.

Von Leticia Witte

In etwa vier Metern Höhe ist ein Rabbiner dargestellt, der den Schwanz eines Schweins anhebt und ihm in den After schaut. Zwei weitere, abfällig als Juden karikierte Figuren saugen an den Zitzen des Tieres – das Schwein gilt im Judentum als unrein. Seit 1988 erinnern ein Mahnmal und eine Informationstafel an den historischen Zusammenhang, in dem die Schmähplastik entstand.

Solche antijüdischen Skulpturen sind hochumstritten. Ein Mitglied einer jüdischen Gemeinde in Deutschland hatte gefordert, dass das Relief in Wittenberg entfernt wird: Die Darstellung beleidige Juden antisemitisch. Das Oberlandesgericht Naumburg entschied 2020, dass die Skulptur an der Fassade der Kirche bleiben darf, der Straftatbestand der Beleidigung sei nicht erfüllt. Die Plastik verletze nicht die Ehre von Juden, weil das Relief aus dem 13. Jahrhundert inzwischen in ein Gedenkensemble "mit anderem Sinn" eingebettet sei. Ein Informationstext bringe unmissverständlich zum Ausdruck, dass sich die Kirchengemeinde vom verhöhnenden und beleidigenden Charakter der Plastik und der Missachtung von Juden distanziere. Allerdings, so der Richter, habe das Relief – isoliert betrachtet – beleidigenden Inhalt. Der Kläger wollte es dabei nicht bewenden lassen und legte Revision ein.

Über den Umgang mit anderen Darstellungen solcher oder ähnlicher Art wird auch andernorts diskutiert. In Regensburg soll eine "Judensau"-Darstellung an der Fassade des Doms in diesem Jahr eine neue Informationstafel bekommen. Darauf hatten sich Vertreter von Staat, jüdischer Gemeinde und katholischer Kirche verständigt. Als Ergebnis eines bayernweiten Runden Tisches hatte man 2020 zudem vereinbart, dass antijüdische Darstellungen nicht aus ihrem baulichen Kontext entfernt, sondern an ihrem Platz beschrieben, bewertet und eingeordnet werden sollen.

Das passiert auch in Bamberg. Dort geht es nicht um eine "Judensau", sondern um die Darstellung der Synagoga, einer mittelalterlichen antijüdischen Statue im Dom. Wie mit ihr und der Gegenfigur Ecclesia umgegangen werden soll, wurde intensiv diskutiert. Ein Zehn-Punkte-Plan sieht vor, dass beide Statuen am Ort bleiben und mit Informationsmaterial in ihren historischen und kulturellen Kontext eingeordnet werden.

Im Kölner Domforum war 2021 eine Schau über Juden diffamierende Darstellungen eröffnet worden. Denn auch im weltberühmten Dom gibt es eine "Judensau"-Darstellung aus dem 14. Jahrhundert. Hinzu kommt ein Relief eines angeblichen Ritualmords – solche Gerüchte führten in der Geschichte immer wieder zu Pogromen gegen Juden. Zudem erschien die Publikation "Der Kölner Dom und ›die Juden‹". Mitgewirkt haben Vertreter der Synagogen-Gemeinde in Form eines Geleitwortes, in dem auf Positionen zum Umgang mit judenfeindlichen Darstellungen eingegangen wird: entfernen oder belassen und kritisch einordnen?

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte am 30. Mai über den Umgang mit der Wittenberger "Judensau" verhandelt. Ein Termin für die Urteilsverkündung wurde bei der Verhandlung noch nicht mitgeteilt.

 (kna, mit epd)

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Online-Redaktion

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