Preist den Herrn am Smartphone

Gesangbuch-App: Sie animiert zum Singen und soll einen neuen Zugang zu geistlichen Liedern eröffnen. | Foto: Evgenia Tiplyashina – fotolia.com
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Für Abgesänge auf das gedruckte Gesangbuch ist es zu früh. Doch die evangelische Kirche will künftig auch vom Smartphone und Tablet singen lassen. Seit Monaten wird dazu an einer App gebastelt.

Von Marcus Mockler

Wie ging der Text dieses Liedes »Geh aus, mein Herz« noch mal weiter? Da summt einem eine Kirchenmelodie durch den Kopf, aber wie heißt eigentlich der Choral dazu? Fragen dieser Art könnte in Zukunft ein Anwendungsprogramm (App) für Smartphones und Tabletcomputer beantworten. Entwickelt wird die Gesangbuch-App derzeit von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Den Machern geht es nicht darum, mittelfristig die gedruckten Gesangbücher aus den Kirchen zu verbannen. Im Gegenteil: Kirchenrat Dan Peter, bei der württembergischen Landeskirche für Publizistik zuständig, kann sich sogar neues Interesse am Liedgut zwischen zwei Buchdeckeln vorstellen, wenn es durch eine App wieder populärer geworden ist. Zuerst ziele die App auf den einzelnen Nutzer. »Sie soll zum Singen animieren und neuen Zugang zu geistlichem Liedgut eröffnen«, sagt Peter.
Den Inhalt eines Gesangbuchs mit der digitalen Welt zu verknüpfen, bietet viele Chancen. Eine Volltextsuche ermöglicht es, Lieder nach Stichwörtern zu durchforsten. Wer nur noch einen Choralfetzen in Erinnerung hat, findet auf diese Weise in Sekundenschnelle das komplette Lied. Auch das Summen einer Melodie kann die App verstehen – und dann nachschauen, welche Lieder genau diese Melodie verwenden.
Nützlich ist die App auch, um sich Liedgut zu erschließen. Bei einem neuen Song (oder einem alten, den man nirgends mehr hört) hilft die App, indem sie die Melodie vorspielt. Dabei lassen sich Tonhöhe und Geschwindigkeit variieren. Weiteren Nutzen gibt es für Musiker, die ganze Chorsätze finden und vom Tablet herunter mehrstimmig spielen können.
Beim gemeinsamen Singen vom Bildschirm ist vor allem an Gottesdienste im Grünen oder an Reisegruppen gedacht. So könnten christliche Touristen in Kirchen textsicher vom Smartphone aus einen Kanon schmettern. Schon heute holten manche bei Google Rat, wenn sie ohne Gesangbuch unterwegs sind, beobachtet Kirchenrat Peter.
Außerdem ist ein offenes System geplant, dem die Nutzer auch weitere elektronische Liederbücher hinzufügen können. Landeskirchenmusikdirektor Matthias Hanke nennt das die »Entkanonisierung« des Gesangbuchs. So ließen sich etwa moderne Lobpreissongs, die gerade bei jüngeren Leuten beliebt sind, mit wenigen Klicks einbinden.
Auch eine Kooperation mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag, der zur alle zwei Jahre stattfindenden Großveranstaltung ein eigenes Liederbuch herausbringt, ist angedacht. Außerdem lässt sich die Mehrsprachigkeit geistlicher Lieder durch entsprechende Module ausbauen. Eine Anpassung des Programms an die Bedürfnisse der katholischen Kirche, die noch keine vergleichbare App besitzt, sei ebenfalls denkbar.
Als besonders heikel erweisen sich im Entwicklungsprozess Rechtsfragen. Lizenzen für Liedtexte und Notensätze müssen bei den Verlagen eingeholt werden. Bisher regeln Rahmenvereinbarungen und Pauschalverträge die kirchliche Nutzung von Liedblättern und Beamereinsätzen im Gottesdienst. Bei einer App müssen die neuen Einsatzfelder mit den Rechtevertretern verhandelt werden. Kompliziert ist zudem das Einspielen von Musikvideos, weil hier auch die Rechte der Aufführenden berührt sind, selbst wenn das Video an anderen Stellen schon öffentlich zugänglich ist.
Gratis wird die Gesangbuch-App für die Nutzer nicht. Die württembergische Kirche übernimmt zwar die Anschubfinanzierung mit rund 500 000 Euro, danach muss sich das Projekt aber selbst tragen. Aus Sicht der Macher ist das keineswegs unrealistisch. Wenn von den 22 Millionen Protestanten in Deutschland sich nur eine Million für die App entscheidet, ließe sich der Weiterbetrieb problemlos finanzieren. Bis zur württembergischen Frühjahrssynode in Stuttgart soll ein Business-Plan für die App vorliegen. Die Entwickler hoffen, spätestens bis zum 1. Advent 2018 eine marktfähige Version herausbringen zu können. (epd)

Autor:

Adrienne Uebbing

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