Folge 2 – 1926 und 1927
Kaffee, Rauchen, Alkohol und falsche Körperkultur

Die „Goldenen Zwanziger“ der Weimarer Republik waren nur für wenige golden. Die Kirchenzeitung beklagt die hohe Arbeitslosigkeit, vor allem unter den Jugendlichen, damit verbundene Armut sowie Wohnungsknappheit.

Von Dietlind Steinhöfel

Ein nicht mit Namen genannter Autor ruft angesichts der Geldnot auf, allen Luxus zu lassen: wie Kaffee, Rauchen, Alkohol. Jeder solle sich auf das Notwendigste beschränken.

Die Wohnungsnot schädige die Familie. Gerade Christen sollten sich für kinderreiche Familien einsetzen und Bestrebungen unterstützen, die gesunden Wohnraum schaffen.

Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft und der christlichen Erziehung wird immer wieder unterstrichen. „Eltern tragen eine große Verantwortung für die deutsche Zukunft“, so Landesoberpfarrer Wilhelm Reichardt.

Im Sommer 1926 wird erstmalig eine Fortbildung für Haupt- und Ehrenamtliche im Kindergottesdienst angeboten. Zudem kommen evangelische Lehrerinnen in Neudietendorf zur „Pädagogischen Rüstzeit“ unter dem Thema „Der verantwortungsvolle Mensch“ zusammen. Eine „Landkinderpflegerinnenschule“ ist im Fröbel-Haus zu Schweina geplant. Ein erster „Thüringer Jugendsonntag“ wird für Juni 1926 angekündigt. Denn „die Jugend soll wieder Vertrauen bekommen in … die Gemeinde“ und in ihr eine Heimat finden.

Der Landeskirchentag (Synode) auf dem Pflugensberg in Eisenach befasste sich unter anderem mit dem Plan für ein einheitliches Gesangbuch. Damals gab es in Thüringen noch zwölf unterschiedliche Gesangbücher. Weiter wurde über Nachwuchsprobleme geschrieben. Zu wenige junge Männer, so der Tenor, werden Pfarrer. Da lässt ein Nebensatz in diesem Bericht aufhorchen: „… so verdient ein Gesuch junger Theologinnen um beschränkte Zulassung zum Dienst an der Gemeinde unsere Beachtung.“

Mit Leidenschaft spricht sich der "Evangelische Bund" gegen ein Konkordat, einen Vertrag zwischen Staat und Heiligem Stuhl, aus. Die Bayern hatten 1924 solchen Vertrag abgeschlossen. Nun war ein Reichskonkordat im Gespräch. "Wir wollen nicht, dass wesentliche Rechte vom Staat an die Kurie abgetreten werden", heißt es in einer "Kundgebung".

Auch kirchliche Großereignisse bestimmen die beiden Jahre: So wird im Sommer 1926 ein "Festländischer Kongress für Innere Mission und Diakonie" in Amsterdam einberufen, an dem 14 Länder teilnehmen. Er beschäftigte sich unter anderem mit Wohlfahrtspflege, Kirche und Kultur, der Jugend und Gefängnisseelsorge.

Zudem war zu einer "Weltkonferenz für praktisches Christentum" nach Stockholm eingeladen worden: "Zum ersten Mal seit 354 kommen die Kirchen der ganzen Welt zusammen." Rom hatte eine Teilnahme allerdings abgelehnt.

Im August 1927 wurde in Königsberg ein Evangelischer Kirchentag gefeiert, dessen „vaterländische Kundgebung“ eine für uns merkwürdige Botschaft enthielt: „Wir sind Deutsche und wollen Deutsche sein. Unser Volkstum ist uns von Gott gegeben.“

Fundstücke
Vergnügungssucht: Ein Beitrag über die Heilighaltung der Passionszeit warnt: „Der Landeskirchenrat soll rechtzeitig seine Stimme gegen die wachsende Vergnügungssucht unseres verarmten Volkes warnend erheben …“
FKK: Die „Nacktkultur“, die in den 20er-Jahren aufgekommen ist, wird als „falsche Körperkultur“ gesehen, denn eines der Anzeichen mancher Geisteskrankheit sei der Verlust des Schamgefühls.
Konsum-Kredit: Leben auf Pump bringt in noch größere Armut. So der Tenor verschiedener Beiträge über das neu aufgekommene Konsum-Kredit-Wesen.
Kinder: Im Übrigen enthält „Glaube und Heimat“ regelmäßig eine Kinderseite mit Geschichten, Bastelanleitungen, Gedichten, Gebeten und Liedern.

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Autor:

Online-Redaktion

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