Nachgefragt
Kirche und Arbeitswelt

Symbolbild | Foto: epd-bild/Hans-Jürgen Bauer
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Der Ökonom Frank Fehlberg ist neuer Studienleiter für Arbeit und Wirtschaft bei der Evangelischen Akademie in Neudietendorf. Zudem ist er Referent für den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt bei der EKM. Willi Wild hat mit ihm gesprochen.

Welche Aufgabe haben Sie als EKM-Referent für die Arbeitswelt?
Frank Fehlberg: Ich sage meist, dass ich eine Art „Kirchenökonom“ bin, also jemand, der sich in der evangelischen Kirche beruflich mit den Themen Arbeit und Wirtschaft auseinandersetzt, Dialog organisiert und eigene Zeichen setzt. Ich selbst bezeichne mich als Sozialökonom. Das hat zum einen mit meinem wissenschaftlichen Schwerpunkt zwischen Wirtschaft und Gesellschaft zu tun, zum anderen mit meiner praktischen Tätigkeit für eine gerechte und zukunftsfähige Wirtschaftsform.

Wie gerecht ist das Bürgergeld? Kritiker meinen, dass der Vollzeitjob mit Mindestlohn nur unwesentlich darüber liege und sich Arbeiten nicht mehr lohne?
Die Frage nach der Gerechtigkeit des Bürgergeldes ist nicht mit der Frage nach seiner finanziellen Höhe gleichzusetzen. Kritiker sollten sich die Frage stellen, warum das staatlich gewährte Existenzminimum so nah an den „Niedriglöhnen“ liegt. In unserer Wirtschaftsordnung sichert die Armut von vielen nach wie vor den Reichtum von wenigen. Da ist es ein guter Aufreger, die Moralkeule gegen angeblich Faule zu schwingen – das lenkt wunderbar von der systemischen Unwucht ab. Es ist das stark zerklüftete Lohngefüge, also die mangelnde Verteilungsgerechtigkeit, die Menschen zweifeln lässt, ob Arbeit tatsächlich noch „lohnt“. Der realwirtschaftlich nicht zu rechtfertigende Lohnunterschied zwischen West- und Ostdeutschland, der sich bis heute genau an der ehemaligen Landesgrenze der DDR entlangzieht, spricht Bände.

Der Sonderweg des kirchlichen Arbeitsrechts ist zunehmend in der Kritik. Ist es ein Relikt der Vergangenheit, und wie müsste es reformiert werden?
Die kirchlichen Organisationen tragen als große Arbeitgeberinnen eine immense gesellschaftliche Verantwortung und zahlen oft sogar die höheren Löhne. Kirchen aber, die unter zunehmendem Geldmangel und Mitgliederschwund leiden, tendieren dazu, den Druck auf die Bediensteten abzuwälzen. Die Folgen sind wie anderswo: Kürzungen, welche Zusammenlegung oder Auslagerung nach sich ziehen, erfahrungsgemäß dann auch Erhöhung der Arbeitsdichte, Entkopplung, Entfremdung, Entsolidarisierung. Vor dem Hintergrund dieser Widersprüche ist es angeraten, dass sich die Kirchen – wie beim allgemeingültigen Pflegetarifvertrag bisher leider nicht geschehen – auf ihre sozialökonomische Rolle und Verantwortung besinnen. Um gesamtgesellschaftliche Glaubwürdigkeit zu erhalten oder auszubauen, müssen die Kirchen vorangehen, anstatt mit dem besonderen Arbeitsrecht mehr schlecht als recht ihren Rückzug zu decken.

Symbolbild | Foto: epd-bild/Hans-Jürgen Bauer
Frank Fehlberg | Foto: EAT
Autor:

Willi Wild

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