Neubeginn im DEKT
Das schönste Fest des Glaubens

Der rote Förderturm bedeutet für Kristin Jahn so etwas wie Heimat. Ab März tauscht sie diesen Blick gegen den Dom zu Fulda. | Foto: Paul-Philipp Braun
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  • Der rote Förderturm bedeutet für Kristin Jahn so etwas wie Heimat. Ab März tauscht sie diesen Blick gegen den Dom zu Fulda.
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Abschied und Neubeginn: Die Superintendentin des Altenburger Landes, Kristin Jahn, übernimmt ab März die Leitung des Deutschen Evangelischen Kirchentages (DEKT) als Generalsekretärin.

Von Paul-Philipp Braun

"Häng deinen Glauben nicht an den Pfarrer." Für Kristin Jahn sind es bis heute sehr weise Worte, welche die Mutter ihr schon als Kind mit auf den Weg gab. Dass sie selbst einmal Theologin werden sollte, davon war zu diesem Zeitpunkt jedoch noch längst nicht die Rede.

Mit langem dunkelblauen Mantel steht Kristin Jahn am Taufstein der kleinen, namenlosen Kirche in Großstechau. Hier, weit im Osten Thüringens, wo Sachsen näher ist als die Landeshauptstadt Erfurt, kommt sie her. Hier gefällt es ihr. Und doch ist das Wort Heimat eines, bei dem die Hände der Theologin Anführungszeichen in die Luft zeigen, wenn sie es ausspricht.

"Heimat", das habe für sie mit Landschaft und mit Menschen zu tun, nicht mit einem festen Ort. "Ich kann dort zu Hause sein, wo ich mich wohlfühle", sagt Kristin Jahn, die seit 2017 im Altenburger Land als Superintendentin tätig war und ab März als Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages (DEKT) nach Fulda geht.

Doch von Anfang an: Mit drei Monaten wurde Kristin Jahn in eben jener Kirche Großstechau getauft und folgte damit der protestantischen Familientradition. Ihre Großfamilie, erzählt sie, sei kirchlich, und der Weg durch Christenlehre und Konfirmandenunterricht scheint eindeutig vorgezeichnet gewesen. Dass sie sich nach dem Abitur für das Doppelstudium von Literaturwissenschaft und Theologie entschied, erschien der heute 45-Jährigen schon mit 18 vollkommen folgerichtig.

"Ich hätte lange nicht gedacht, dass ich einmal Pfarrerin werde. Außerdem finde ich nach wie vor, dass Literatur und Theologie eng zusammengehören." Ihre literaturwissenschaftliche Promotion widmete sie Schriftsteller Uwe Johnson, mit dem sie auch inhaltlich viel verbindet: "Er hat die deutsch-deutsche Geschichte in aller Härte porträtiert. Das fasziniert mich noch immer."


"Das Evangelium brennt Löcher in so manches Parteiprogramm. Besonders, wenn Tausende es vom Kirchentag aus gemeinsam in die Welt tragen"

Denn diese gemeinsame Geschichte beider Deutschländer – zur Wende war Kristin Jahn 13 Jahre alt – ist eine, die ihr Leben bis heute bestimmt. Im Löbichauer Ortsteil Großstechau, in unmittelbarer Nähe zum ehemaligen Wismut-Abbaugebiet, wird dies deutlich. Jahrzehntelang prägte die Gewinnung des radioaktiven Gesteins die Region. Das Gelände auf dem Boden der DDR stand unter sowjetischer Verwaltung.

"Meine Mutter sagte immer: Wenn wir den roten Förderturm sehen, sind wir zu Hause", erzählt Jahn und berichtet, wie sie einst zusammen mit den "rauen Burschen" im Altenburger Land für die Sanierung der Orgel ihrer Taufkirche ein Laientheaterstück schrieb und in der örtlichen "Düngerscheune" aufführte. "Es war die Zeit, in der ich feststellte, dass ich mit Menschen und mit Worten arbeiten will und von Gott erzählen, ohne ihn zu verraten."

Seitdem ist viel geschehen. Ihr Vikariat verbrachte Kristin Jahn im süd-thüringischen Meiningen, im Entsendungsdienst lernte sie zunächst die Kirchengemeinde Vachdorf im Kirchenkreis Meiningen und später die Gemeinde der Wittenberger Stadtkirche kennen, in der sie bis Oktober 2017 als Pastorin blieb. Als der 36. Evangelische Kirchentag im Mai des Reformationsjahres nach Wittenberg kam, war sie mit dabei, schnupperte Kirchentagsluft und war vor Ort verantwortlich für die Ehrenamtlichen, die aus aller Welt in die Reformationsstadt kamen.

"Ein Kirchentag ist das schönste Fest des Glaubens", sagt die künftige Generalsekretärin des DEKT und betont dabei, dass dieses Fest aber auch immer einen politischen Anspruch habe: "Das Evangelium brennt Löcher in so manches Parteiprogramm. Besonders, wenn Tausende es vom Kirchentag aus gemeinsam in die Welt tragen." Die neue Aufgabe scheint zu ihr zu passen. "Mündigkeit und Freiheit" sind die Worte, die ihr in den Sinn kommen, wenn sie über Kirche und Glauben in lutherischer Tradition spricht. Es sei eben nicht der Pfarrer, der das ausmache, sondern eine individuelle Entscheidung jedes Einzelnen, was er aus seinem Weg mit Gott mache.

Die Entscheidung, aus Ostthüringen wegzugehen, sei ihr nicht leichtgefallen, sagt sie: "Wenn man so einen Tanker wie einen Kirchenkreis bewegen will, braucht man Menschen, die das eigene Kirchenbild in gleicher Richtung denken. Das konnte ich hier im Altenburger Land seit 2017."

Kirchliches Ehrenamt zu fördern, sei ihr dabei immer ein wesentliches Anliegen gewesen. Auch, weil 85 Prozent des Verkündigungsdienstes in ihrem Kirchenkreis unentgeltlich von Ehrenamtlichen geleistet wird. "In den vergangenen 30 Jahren sind Dreiviertel der Pfarrstellen im Altenburger Land rückgebaut worden. Damit war es auch meine Aufgabe der Zukunft, Ehrenamtliche noch stärker mitzunehmen."

Eine Aufgabe, der sie ab März jedoch selbst nicht mehr im Kirchenkreis nachgehen wird. Stattdessen werden es dann die Freiwilligen auf einer größeren Basis sein, mit denen Jahn zusammenarbeitet. Auf einen – das lässt die Frau, die in druckreifen Sätzen spricht, schon einmal durchblicken – freut sie sich dabei ganz besonders: Thomas de Maizière. Der ehemalige Bundesinnenminister wird Präsident des Kirchentags 2023 in Nürnberg sein und damit das ehrenamtliche Gegenüber der hauptamtlichen Generalsekretärin.

Kristin Jahn ist sich der Herausforderung der großen Aufgabe bewusst. Sie freut sich darauf, wenngleich sie dafür ihre Heimat, das Altenburger Land, nun gegen die Magdeburger Straße in Fulda, dem Sitz des Kirchentagsbüros, eintauscht.
kirchentag.de

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