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Naumburger Dom
Die unendliche Altar-Geschichte

Foto: epd-bild/Rico Thumser

Von vielen Kritikern gelobt, von Gläubigen geliebt, aber in der Fachwelt umstritten: Über drei Jahre, nachdem ein historischer Cranach-Altar im Naumburger Dom mit einem neuen Mittelteil aufgestellt wurde, erhitzt das Projekt weiter die Gemüter.

Von Oliver Gierens 

Darf der Altar an seinem vorgesehenen Platz stehenbleiben oder nicht? Eigentlich sollte dies gar keine Frage sein. Aber der Cranach-Triegel-Altar, der eigentlich nur ein Retabel ist, das auf einem steinernen Altarsockel steht, erhitzt seit drei Jahren die Gemüter. Und die Debatte geht weiter.
Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Im Westchor des Naumburger Domes, der seit 2018 zum Weltkulturerbe der Unesco gehört, stand einst ein Altarretabel mit Malereien von Lucas Cranach dem Älteren (1472-1553). Während eines „Bildersturmes“ 1541 im Zuge der Reformation wurde das Mittelteil zerstört.
2022 fügte der Leipziger Maler Michael Triegel (geb. 1968) den beiden erhalten gebliebenen Seitenflügeln ein modern gestaltetes Mittelteil hinzu, das auf der Vorderseite Maria mit dem Jesuskind zeigt, auf der Rückseite den auferstandenen Jesus. Im Juli 2022 kehrte der Altar in den Westchor zurück, wo er mit ziemlicher Sicherheit auch früher schon gestanden hat.
Und der Ärger begann: Nach Ansicht des Internationalen Rates für Denkmalpflege Icomos, der die Unesco berät, verdeckt der Altar die berühmten Stifterfiguren im Westchor um Uta von Naumburg und Markgraf Ekkehard II. von Meißen. Sogar über eine mögliche Aberkennung des Welterbetitels wurde zeitweilig diskutiert. Auch die sachsen-anhaltischen Denkmalbehörden zeigten sich wenig begeistert.
Die Domstifter reagierten und schickten das Retabel auf Reisen, unter anderem nach Paderborn und ins Stift Klosterneuburg bei Wien. Im Dezember 2023 kehrte es nach Naumburg zurück. Doch Ruhe wollte auch jetzt nicht einkehren. Im Juli dieses Jahres präsentierten die Unesco, das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie sowie die Domstifter einen Kompromiss: Der Altar darf im Dom bleiben, aber er soll ins Nordquerhaus umziehen.
Doch sie hatten die Rechnung ohne die Domgemeinde gemacht. Zwar sind die Domstifter die Eigentümer des evangelischen Gotteshauses, aber die Kirchengemeinde hat das Nutzungsrecht. Und die zeigt sich gar nicht begeistert von diesem Vorschlag. Schließlich, so heißt es in einer Stellungnahme des Gemeindekirchenrats vom 2. August, sei der Altar ökumenisch, also vom evangelischen und katholischen Bischof, geweiht worden. Würde der Altar versetzt werden, käme das einer Entweihung gleich.
Auch das Argument, die Stifterfiguren würden verdeckt, trägt aus Sicht der Gemeinde nicht. „Im Gegenteil: Eine genaue Analyse der Blickrichtungen zeigt, dass gerade diese Figuren ihre Blicke auf das liturgische Zentrum, den Altar, richten“, heißt es in der Stellungnahme. Im Übrigen habe die Gemeinde laut Staatskirchenvertrag ein Selbstbestimmungsrecht.
Doch ganz so einfach ist die Sache offenbar nicht, schränkt Domprediger Michael Bartsch ein. „Die Hoheit über das Agieren haben wir letzten Endes nicht“, macht er deutlich. Die Gemeinde habe sich klar geäußert, aber man wolle in dem Konflikt nicht verschärfend agieren. Eines scheint inzwischen klar zu sein: Ins Nordquerhaus wird der Altar nicht umziehen. Dann könne man hier keine großen Gottesdienste mehr feiern, unterstreicht der Domprediger: „Der Altar wäre dort überhaupt nicht nutzbar.“
Unterstützung erhalten die Gläubigen vor Ort von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Das Landeskirchenamt stehe uneingeschränkt hinter der Kirchengemeinde, sagte vor kurzem Kirchenamtspräsident Jan Lemke. „Aus meiner Sicht gehen liturgische Fragen vor Denkmalschutz“, betont Lemke.
Nun zeichnet sich offenbar eine Kompromisslinie ab. Wie Beteiligte übereinstimmend erklären, soll der Altar möglicherweise wieder auf Reisen gehen. Diese Zeit könne man nutzen, um Icomos und die kirchlichen Stellen an einen Tisch zu bringen.
Die Domstifter halten sich indes bedeckt. „Wir befinden uns noch in Gesprächen mit allen Beteiligten“, heißt es lapidar auf Anfrage. Die Stiftung öffentlichen Rechts sitzt offenbar zwischen allen Stühlen. Finanziell ist sie von Zuwendungen der Landesregierung abhängig, zugleich vertritt sie kirchliche Interessen. In dieser Konstellation ist es offenbar nicht zu vermeiden, dass der Altar auch künftig ein Politikum bleiben wird.

(epd)

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