Kunst
Barlach in der Kapelle

Ernst-Barlach-Museum in der Gertrudenkapelle in Güstrow  | Foto: epd-bild/Anne-Dorle Hoffgaard
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Am 31. Oktober 1953 wurde in der Gertrudenkapelle im mecklenburgischen Güstrow das erste Museum für Kunst von Ernst Barlach (1870-1938) eröffnet. Genau 70 Jahre danach soll dieses Ereignis mit einem Festakt gewürdigt werden.

Von Anne-Dorle Hoffgaard (epd)

Es ist erstaunlich ruhig in der Güstrower Gertrudenkapelle, wenn sich hinter dem Besucher die hölzerne Eingangstür schließt. Die Geräusche der Stadt bleiben außen vor. Im spätgotischen Innenraum des einschiffigen Backsteinbaus aus dem 15. Jahrhundert laden 25 plastische Arbeiten des Bildhauers, Zeichners und Schriftstellers Ernst Barlach (1870-1938) zu Besinnung und Betrachtung ein. Darunter Arbeiten, die für einen sakralen Raum wie geschaffen scheinen, wie etwa «Der Zweifler», «Die lesenden Mönche», «Das Wiedersehen» und «Lehrender Christus».

Der von den Nazis verfemte Ernst Barlach gilt als einer der bedeutendsten Künstler der Moderne. Er lebte von 1910 bis 1938 in der mecklenburgischen Kleinstadt an der Nebel und schuf dort den größten Teil seines Werkes. Sein in Güstrow verbliebener Nachlass ist der größte zusammenhängende Werkbestand Barlachs an einem Ort und konnte nach der deutschen Wiedervereinigung für das Land Mecklenburg-Vorpommern erworben werden.

Die 1994 gegründete «Ernst Barlach Stiftung Güstrow» bewahrt diese Sammlung in ihren drei Museen auf, der Gertrudenkapelle, dem Atelierhaus und dem Ausstellungsforum-Grafikkabinett. Dabei ist die Gertrudenkapelle das erste Barlach-Museum überhaupt.

Seit am 31. Oktober 1953 in der Gertrudenkapelle die bereits 1950 angekündigte ständige Barlach-Ausstellung eröffnet wurde, zieht es Bewunderer seiner Kunst und Interessierte hierher. Im Jahr 2022 wurden 17.268 Besuchende gezählt, informieren die Güstrower Barlach-Museen.

«Wie Barlach dieses stille Plätzchen liebte...», zitiert die Güstrower Autorin Ditte Clemens in ihrem Buch «Marga Böhmer» aus der Rede, die Barlachs Lebensgefährtin, die Bildhauerin Marga Böhmer (1887-1969), bei der Eröffnung der Gedenkstätte gehalten haben soll. «Wie oft weilte er auf dem kleinen umliegenden Friedhof, genoss seine traumhafte Atmosphäre... Das kleine Kapellchen hätte er sich wohl gerne als Arbeitsplatz ersehen, aber er war zu bescheiden, darum zu bitten», so Böhmer damals.

Nach Kriegsende hatten sich Barlach-Freunde in Ost- und Westdeutschland für die Einrichtung der Gedenkstätte eingesetzt, insbesondere seine Lebensgefährtin Marga Böhmer. Sie wohnte unter bescheidenen Verhältnissen seit März 1951 in der kleinen Dachgeschoss-Wohnung der Gertrudenkapelle und wirkte als Kustodin.

Dabei ist die Geschichte dieses sakralen Bauwerkes ebenso wechselvoll wie Leben und Rezeption Barlachs. Denn bevor die Gertrudenkapelle zur Barlach-Gedenkstätte wurde, diente sie auch als Pilger-, Siechen- und Friedhofskapelle. Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) wurden hier Futter für die Pferde und Munition eingelagert. Nachdem das Gebäude städtisches Eigentum geworden war, wurde es von den Nationalsozialisten 1937 nach erfolgter Rekonstruktion als Ahnenhalle geweiht.

Nach dem Krieg drohte die Eröffnung der ständigen Barlach-Ausstellung in der Gertrudenkapelle zunächst zu scheitern, auch wegen Baustoffmangel. In der Zeit der sogenannten Formalismusdebatte in der DDR wurde Barlach 1951/52 erneut angegriffen. «Barlachs Werk enthält nichts Zukunftsweisendes», zitiert Ditte Clemens in ihrem Marga-Böhmer-Buch beispielsweise aus einem Artikel, der im Januar 1952 im «Neuen Deutschland» erschien. Barlach sei «rückwärtsgewandt» und seine Geschöpfe «eine graue, passive, verzweifelte, in tierischer Dumpfheit dahin vegetierende Masse».

Amtliche Pressebeiträge hätten das Werk Barlachs als «westliche Dekadenz» und von «antidemokratischen Tendenzen beherrscht» bezeichnet, berichtete die Kunstwissenschaftlerin Ilona Laudan zum 50. Jahrestag der Eröffnung.

4.000 Besucher habe das Barlach-Museum in der Gertrudenkapelle im Jahr 1954 gehabt, 8.800 im Jahr 1965 und 10.000 im Jahr 1969, sagt Jakob Schwichtenberg. Der promovierte Historiker wird am 31. Oktober in Güstrow bei einem Festakt zum 70-jährigen Bestehen dieses Barlach-Museums einen Vortrag halten. Heute gibt es neben Güstrow auch Barlach-Museen in Ratzeburg, Wedel (bei Hamburg) und in Hamburg.

Ernst-Barlach-Museum in der Gertrudenkapelle in Güstrow  | Foto: epd-bild/Anne-Dorle Hoffgaard
Gertrudenkapelle in Güstrow  | Foto: epd-bild/Anne-Dorle Hoffgaard
Autor:

Katja Schmidtke

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