Schmähplastik
Kritik reißt nicht ab

Eine Hinweistafel zur mittelalterlichen Schmähplastik an der Stadtkirche St. Marien in Wittenberg.  | Foto: epd-bild/Jens Schlüter
  • Eine Hinweistafel zur mittelalterlichen Schmähplastik an der Stadtkirche St. Marien in Wittenberg.
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Die öffentliche Debatte um eine antijüdische Skulptur an der Fassade der Wittenberger Stadtkirche geht weiter. Dabei hatte der Gemeindekirchenrat nach jahrelanger Auseinandersetzung gerade erst eine Entscheidung bekannt gegeben

Berlin/Hannover (epd) - Die Entscheidung der Wittenberger Kirchengemeinde zum Verbleib der judenfeindlichen Schmähplastik an der Stadtkirche stößt weiter auf Kritik. Der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover bekräftigte seine Forderung nach einer Entfernung und Zerstörung der sogenannten „Judensau“ an der Fassade der evangelischen Stadtkirche.

Die Erinnerungsbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Marion Gardei, betonte, der Verbleib der Skulptur sei durch ergänzende Erklärtexte oder künstlerische Verfremdung nicht aufzufangen. „Mit den mörderischen Folgen der Judenfeindschaft kann man nicht spielerisch umgehen“, erklärte Gardei in einem Gastbeitrag für die in Berlin erscheinende Wochenzeitung „Die Kirche“ (Ausgabe vom 6. November).

Christliche Judenfeindschaft und rassistischer Antisemitismus hätten eine große Schnittmenge, „die am Ende auch zum Mord an den sechs Millionen Jüdinnen und Juden im Holocaust beigetragen hat“, so die Theologin.
Meister sagte am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd), als gut begründeter Einzelfall könne diese antisemitische Schmähplastik aus dem Mittelalter in einem symbolischen Akt öffentlich zerschlagen werden: „In vielen Gesprächen mit Jüdinnen und Juden ist mir zunehmend klar geworden, dass dieses Objekt auch heute noch als extreme Diskreditierung und Diffamierung ihres Glaubens auf schäbigstem Niveau wahrgenommen wird.“

Gardei verwies auf ein neues Kirchengesetz in der EKBO zum Umgang mit Darstellungen, „die von judenfeindlichem, rassistischem und nationalsozialistischem Gedankengut geprägt sind“. Es schreibe vor, diese aus dem liturgischen Gebrauch zu entfernen zugunsten einer pädagogischen oder musealen Verwendung. Diese veränderte „Kontextualisierung“ habe auch dem Rat der Expertenkommission entsprochen, die den Wittenberger Gemeindekirchenrat beraten habe.

In dem Kirchengesetz würden „keine Patentrezepte“ festgeschrieben, weil jeder Fall anders sei, betonte sie. So befinde sich im zum Dommuseum gehörenden Kreuzgang des Brandenburger Doms eine judenfeindliche Darstellung. Inzwischen sei diese gründlich dokumentiert und es gebe einen Erklärtext vor Ort, einen Flyer sowie ein Buch darüber. In der Maria-Magdalenen-Kirche in Eberswalde müsse diese Arbeit noch geleistet werden.

Meister betonte, er selbst habe lange Zeit Verständnis dafür gehabt, das steinerne Relief als Mahnstätte an der Fassade der Wittenberger Stadtkirche zu belassen. Doch inzwischen habe er umgedacht. Allein die Bezeichnung sei eine immer noch eine aktuelle antisemitische Provokation.

Meister hatte seine Forderung bereits am Sonntag in einer Diskussion mit dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, erhoben. Zuvor hatte der Wittenberger Gemeindekirchenrat nach jahrelangem Streit bekannt gegeben, dass die Plastik nicht entfernt werden, sondern als Mahnstätte erhalten bleiben soll.

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Online-Redaktion

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