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Unsere Seite 1 - Licht und Schatten

G+H Nr. 18 vom 5. Mai 2019 (Miserikordias Domini) | Foto: G+H
  • G+H Nr. 18 vom 5. Mai 2019 (Miserikordias Domini)
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Jede Stadt hat ihre Köpfe, ihre Vordenker, Dichter und Staatsmänner. Straßen und Plätze sind nach ihnen benannt, Namensplaketten zieren die Wände ihrer einstigen Wohnhäuser. Das ist auch in meiner Wahlheimat Jena so. Zu den großen Namen zählt, neben Ernst Abbe und Carl Zeiss, auch Ernst Haeckel. Das Stadtmuseum  widmet dem Zoologen und Evolutionsforscher im Jahr seines 100. Todestags derzeit eine eigene Ausstellung.  Haeckel ist es, der die Forschungen von Charles Darwin nach Deutschland bringt, der der Evolutionstheorie zur Verbreitung verhilft, sie weiterentwickelt. 44 Jahre lang hat er den Lehrstuhl für Zoologie an der Jenaer Universität inne. Seine Darwin-Vorlesungen im Herbstsemester 1862/63 sind ein Publikumsmagnet: Fast ein Drittel aller immatrikulierten Studenten besuchen sie.

Einer der "Popstars des 19. Jahrhunderts" sei Haeckel gewesen, sagt der Biologiehistoriker Uwe Hoßfeld bei einem Vortrag im Begleitprogramm zur Ausstellung. "Aber er war auch ein Nationalist und Vordenker der Rassentheorie." So habe Haeckel besonders in seinen späten Jahren zur Politisierung der Biologie geneigt, sagt Hoßfeld. Nationalsozialisten und Rassenhygienikern habe manch fragwürdige Aussage später als Argumentationsgrundlage gedient - bis hin zur ideologischen Vereinnahmung von Teilen seines Werks. "Haeckel war einer von vielen. Mit seiner Haltung stand er nicht allein, sie hat durchaus dem Zeitgeist entsprochen", stellt Hoßfeld nüchtern fest, als sich ein Zuhörer im Publikum zu Wort meldet: "Aber ist es nicht eher so, dass Ernst Haeckel als einer der einflussreichsten Wissenschaftler seiner Tage, weniger 'ein Kind dieser Zeit' ist, als dass er den Zeitgeist selbst maßgeblich mit geprägt hat?" Hoßfeld lässt die Frage stehen: Ja, darüber könne man einmal nachdenken. 

Ob in Jena, in Eisenach oder anderswo: Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wirft oft mehr Fragen auf, als dass sie Antworten gibt. Aber eine Frage bleibt immer noch ein guter Anfang. In diesem Sinne: Eine anregende Lektüre!

Unsere Themen:

  • Abgründe: Am 6. Mai 1939 wurde das »Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben« in Eisenach eröffnet
  • Mahner: Der Rabbiner Emil Fackenheim schwor sich, nie wieder die Sprache seines Mutterlandes zu sprechen – und tat es irgendwann trotzdem
  • Bischofswahl: Viele Baustellen – mehr Gottvertrauen

Außerdem:

  • Ratgeber: Der Knigge für den Kirchgang
  • Durchdacht: Das Diakonissen-Mutterhaus in Elbingerode, ein Paradebeispiel der Moderne
  • Kleine Oase: Eine Schule in Kenia hofft auf Rettung

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Autor:

Beatrix Heinrichs

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