Freitag vor eins
Unsere Seite 1 - Das Leben ist voller Widersprüche

G+H Nr. 8 vom 26. Februar 2022 | Foto: G+H

Die Bilder sind verstörend. Ich will wegsehen und muss doch hinsehen. Mit einer rasend schnellen und quälend langen Eingangssequenz, ohne Schnitt und ohne Atempause beginnt die Neuverfilmung von Erich Maria Remarques Roman "Im Westen nichts Neues". Am Sonntag hat das für Netflix produzierte Drama von Regisseur Edward Berger bei den britischen Filmpreisen Baftas sieben Auszeichnungen erhalten, darunter als bester Film und für die beste Regie. "Im Westen nichts Neues" ist zudem neun Mal für die Oscars nominiert, die am 12. März vergeben werden. Ob der Film tatsächlich als Adaption von Remarques Beststeller gesehen werden kann, daran darf gezweifelt werden.

Vieles ist gestrichen worden, anderes dazuerfunden. Die Schlussszenen stehen konträr zu Remarques letzten, lakonischen Sätzen über den einfachen Soldaten Paul Bäumer, der im Oktober 1918 fiel, "an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.“ Doch trotz der brutalen Bilder kam mir der Film eher wie ein Requiem vor. Das mag an dem Unschuldgesicht und dem Ensetzen in den Augen von Paul Bäumer (Felix Kammerer) liegen, ebenso wie an der Zärtlichkeit, mit der Albrecht Schuch den Katczinsky verkörpert.  So bleibt den ganzen Film hindurch Remarques Standpunkt deutlich: "Ob man überlebt hat oder nicht im Krieg – man ist zerstört."

Ähnlich lesen sich die Nachrichten vom Krieg in der Ukraine und allem voran, das Leiden der Zivilbevölkerung. Wo der Tod allgegenwärtig sind, wächst die Erkenntnis, dass nichts im Leben gewöhnlich ist. Eine warme Heizung, genug zu essen, Strom aus der Steckdoese, abends die Kinder ins Bett bringen - nichts von dem ist eine Selbstverständlichkeit. Unsere Gegenwart ist angefüllt von diesen fragilen Kostbarkeiten. Wir lernen spätestens seit dem 24. Februar 2022, die Widersprüche auszuhalten, die sich auftun zwischen dem, was wir erleben und dem, wovon wir erfahren. Im besten Falle werden wir aus eben diesen Widersprüchen heraus und mit Gottes Kraft tätig - dort, wohin Er unsere Füße gestellt hat. Sei es mit Hilfskonvois, mit Friedensgebeten oder mit sicheren äußeren und inneren Räumen, die wir Menschen zur Verfügung stellen, die sie brauchen.

Das Leben ist facettenreich und so ist auch diese Ausgabe der Kirchenzeitung. Der Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine prägt daher ebenso unsere aktuelle Nummer wie das Fest des Glaubens, zu dem taiwanesische Frauen zum diesjährigen Weltgebetstag einladen. Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre!

Unsere Themen:

Außerdem:

Zu Besuch im Lutheran Hospital
Milchreis und heiße Suppe: Wo der "Wärmewinter" bei den Menschen ankommt
Kirchengemeinden laden zu Friedensgebeten ein
Aus der Küche Taiwans

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Autor:

Katja Schmidtke

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