Muttertag
Warum "Bastelorgien" nicht weiterhelfen

Foto: pixabay.com/EvgeniT

Der Muttertag wird nach Überzeugung von Professorin Barbara Thiessen kommerzialisiert und geschlechtlich stereotypisiert. Noch immer leisteten die Frauen den Großteil der Care-Arbeit, dass Männer und Kinder sich von der Hausarbeit überwiegend fernhielten, werde nicht weiter thematisiert, sagte die Professorin für Soziale Arbeit und Gender Studies an der Hochschule Landshut im Gespräch mit Christiane Ried.

Frauen bräuchten weder Blumen noch Rabattgutscheine für Haushaltsgeräte oder Sprüche, die auf die vermeintliche Selbstlosigkeit und Bedürfnislosigkeit der Mütter abzielten, sagte Thiessen. Sie betonte aber auch, dass Geschenke von Kindern für ihre Mütter bei der Diskussion nicht entwertet werden dürften.

Thiessen kritisierte Kitas und Grundschulen, an denen zum Muttertag entlang von Stereotypen gebastelt und gemalt werde. Damit würden Geschlechtermuster der 1950er-Jahren transportiert, ohne auf die jeweilige Familiensituation der Kinder einzugehen. Denn es gebe alleinerziehende Väter oder Familien, in denen in erster Linie die Väter die Kinderbetreuung übernehmen. «Bastelorgien» zum Vatertag gebe es dagegen eher nicht, sagte Thiessen.

Thiessen verwies auch auf die historischen Wurzeln des Muttertages. Die bürgerliche Frauenbewegung habe Muttersein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts politisiert. In den USA sei erstmals der Muttertag 1908 gefeiert worden. Seit 1914 ist er dort offizieller Feiertag. Die Frauen wollten auf gesundheitliche Missstände in Arbeiterfamilien hinweisen und vertraten pazifistische Anliegen, so Thiessen.

In Deutschland wurde der Muttertag 1934 unter den Nationalsozialisten eingeführt, 1938 wurden erstmals Mutterkreuze verliehen. Da werde deutlich, dass der Muttertag von reaktionär-faschistischer Seite vereinnahmt worden sei, sagte Thiessen. «Die Interessen der Mütter standen nicht mehr im Vordergrund.» Nach dem Krieg sei der Muttertag immer mehr kommerzialisiert worden. 1987 sei mit der Veröffentlichung des Müttermanifests, das von Feministinnen aus dem Umfeld der Grünen initiiert wurde, wieder Solidarität unter Müttern propagiert worden.

Thiessen plädiert für einen «Pride Care Day» anstelle des Mutter- und Vatertages, an dem die Care-Arbeit - etwa für Kinder und pflegebedürftige Angehörige - im Mittelpunkt steht. Politisches Anliegen wäre, Care-Aufgaben zum Normalfall für alle zu machen.

Außerdem sei es ihr wichtig, dass über ein verändertes Mutterbild nachgedacht werde, mahnte Thiessen. Kein Mensch könne gleichzeitig perfekte Mutter, Ehefrau und Hausfrau und dabei noch sexy und gutgelaunt sein. «Wenn das die Ansprüche an Mutterschaft sind, dann finde ich das problematisch.»

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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