Glaubensleben
Ein vergessenes Sakrament?

Auf dem Ausschnitt vom rechten Flügel des Reformationsaltars in der Wittenberger Stadtkirche ist der erste evangelische Stadtpfarrer Johannes Bugenhagen zu sehen, der die öffentliche Beichte abhält.
 | Foto: epd-bild/Jens Schlüter
  • Auf dem Ausschnitt vom rechten Flügel des Reformationsaltars in der Wittenberger Stadtkirche ist der erste evangelische Stadtpfarrer Johannes Bugenhagen zu sehen, der die öffentliche Beichte abhält.
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Die Beichte. Ich mach’s mal persönlich: Als ich einmal zu einer Frau ging, der ich regelmäßig beichte, ließ ich mich in den Sessel fallen, atmete tief durch, sie schaute mich an, verstand, und sagte: "Fangen Sie an. Hier riskieren Sie nichts." Was für ein Satz! Hat sich eingehakt in meine Seele.

Von Anne Helene Kratzert

Beichte heißt: Ich darf alles zeigen. Die Tür aufmachen. Mich zeigen. Dieser Satz "Hier riskieren Sie nichts", ist seither für mich der Schlüsselsatz der Beichte. Ich sage ihn zu den Menschen, die bei mir was loswerden. "Lassen Sie raus, hier riskieren Sie nichts." Keinen Ehekrach. Keinen Erziehungsfehler. Keinen schiefen Blick vom Chef. Keine Befremdung der Freundin. Zeig dich hier mit allem, was in dir ist.

"Hier" heißt in dem Fall nicht: "bei mir, der Pfarrerin" oder "hier in meinem Amtszimmer", sondern "hier bei Gott". Als Martin Luther gefragt wurde, was die Grundbedingung der Beichte sei, schrieb er schlicht: dass dich was drückt. Ganz einfach.

Die Beichte ergibt nur Sinn, wenn du fühlst, dass dein Gewissen, deine Seele, dein Herz, etwas – in alter Sprache – bekennen will. Die Beichte kann nicht erzwungen werden, sie kann dir nicht auferlegt werden, sie hat da ihren Ort, wo du risikofrei was vor Gott bringen willst, damit er es nimmt. Und sie wirkt dann heilsam und befreiend, wo du glaubst, dass eine andere Kraft als deine eigene dir den Weg frei macht, aufzustehen und weiterzugehen.


"Die Beichte ergibt nur Sinn, wenn du fühlst, dass dein Gewissen, deine Seele, dein Herz, etwas – in alter Sprache – bekennen will"

Deshalb liebe ich auch die Absolution. Mit Handauflegen und Lossprechung, mit Segen und Gebet. Denn das, was da passiert in der Beichte, das passiert nicht zwischen zwei Menschen, sondern zwischen Mensch und Gott. Und die, die losspricht, das bin nicht ich, sondern Gott. Als Pfarrerin kann ich es nur erbitten und weitersagen. Als Beichtende kann ich es nur empfangen und dankbar annehmen. "Fides apprehensiva" hat Luther diesen dankbaren Glauben genannt, der übersetzt heißt: "Ja, Gott, nimm mal den Shit, die Tränen, den Schmerz, dieses verdammte Gewissen. Nimm, und lass mich weitermachen."

Besser als vorher oder jedenfalls nicht schlechter oder wenigstens im Glauben, dass du mich annimmst, auffängst, hältst. Credo et confesso. Ich glaube und bekenne. Für mich geht es nicht anders.


Die Autorin ist Pfarrerin in den Predigtbezirken Palmbach-Stupferich und Hohenwettersbach-Bergwald der Evangelischen Kirche in Baden.

Autor:

Online-Redaktion

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