Neues Siegel
Für mehr Nachhaltigkeit in der Textilbranche

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Fair gehandelte Waren werden immer stärker nachgefragt. Doch im Textilbereich sind die Produktionswege selten nachvollziehbar und das Angebot von Kleidung, die als nachhaltig hergestellt beworben wird, ist vergleichweise gering. Am kommenden Montag wird deshalb das neue staatliche Gütesiegel «Grüner Knopf» von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) gemeinsam mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche inDeutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und zwei Unternehmen in
Berlin eingeführt. Es soll an verantwortungsvoll handelnde Unternehmen für sozial und ökologisch nachhaltig produ-zierte Textilien vergeben werden. Unabhängige Prüfstellen seien in den vergangenen Tagen sehr aktiv gewesen, damit möglichst viele Textilfirmen bereits zur Einführung geprüft seien. Müllers Angaben zufolge wollen sich schon 50 Textilunternehmen daran beteiligen.

Der Branchenverband «textil+mode» beklagte derweil damit eine nicht nachvollziehbare Herabwürdigung der Textilindustrie. Unternehmen würden bereits heute ihre Verantwortung für Umwelt- und Sozialstandards in der Produktion wahrnehmen. Sowohl im Inland als auch bei der Produktion im Ausland seien der Industrie die Standards wichtig. Ein neues, nationales Siegel sei für die Branche nicht der richtige Weg zu mehr Nachhaltigkeit, sagte die Präsidentin des Gesamtverbands «textil+mode», Ingeborg Neumann: «Es braucht ein europaweites Textilbündnis.»

Im deutschen Textilbündnis, einer Partnerschaft von Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und der Politik, seien schon wichtige Fortschritte erreicht worden. Dass in dem Bündnis nicht alle Unternehmen Mitglied seien, heiße nicht, «dass sich die andere Hälfte nicht engagiert oder die Standards nicht leisten kann oder will», fügte die Verbands-chefin hinzu.
Der «Grüne Knopf» werde nicht zwangsläufig höhere Produktpreise nach sich ziehen, betont Gerd Müller. Eine Näherin in Äthiopien verdiene gerade einmal 18 Cent pro Stunde, das reiche kaum zum Leben. «Selbst eine Verdoppelung bis Verdreifachung ihres Lohns muss nicht unbedingt zu höheren Preisen führen.»
Neben den Näherinnen profitierten auch die Verbraucher von dem neuen Siegel. Drei Viertel von ihnen sei faire Kleidung wichtig, erklärte Müller. Doch bisher fehle eine klare Orientierung, das werde sich nun ändern. «Deshalb hat der ›Grüne Knopf‹ auch eine Signalfunktion», sagte er: «Raus aus der Nische, rein in die Normalität.»

Firmen, die beim «Grünen Knopf» mitmachen, werden nach Angaben des Entwicklungsministeriums von Prüfstellen wie dem TÜV kontrolliert. Nicht nur Kleidungsstücke wie Jeans, T-Shirts oder Sakkos können das Zeichen erhalten, sondern auch Textilprodukte wie Teppiche, Gardinen, Campingmatratzen, Taschen und Decken.

Zu den teilnehmenden Firmen gehört unter anderem Tchibo, wo nach  Angaben einer Sprecherin die ersten Produkte mit dem Siegel ab MitteSeptember online und voraussichtlich ab 8. Oktober in den Geschäften

erhältlich sind. Auch die Otto Group wird nach eigenen Angaben den  «Grünen Knopf» bei ausgewählten Produkten einführen. DasEntwicklungsministerium steht ferner unter anderem im Kontakt mit den
Firmen Hugo Boss und Hess Natur. Der Textil-Discounter KiK  kritisierte indes, man habe sich «bereits im Frühjahr für eine  Prüfung der Unternehmenskriterien angemeldet und nach einigem Drängen einen Termin erst für Oktober bekommen». Deshalb werde man
«frühestens im nächsten Jahr die ersten Textilien mit dem 'Grünen

Knopf' verkaufen können», teilte eine Unternehmenssprecherin mit.

Das evangelische Hilfswerk «Brot für die Welt» plädierte schon vor der Einführung des Siegels am 9. September für Nachbesserungen. Das Siegel gehe in die richtige Richtung, weitere Schritte müssten aber folgen, sagte der entwicklungspolitische Beauftragte bei «Brot für die Welt», Thilo Hoppe. Zwar sei in der Präambel der Satzung des Siegels das Ziel verankert, alle Stufen der Lieferkette unter die Lupe zu nehmen. Diese Ankündigung müsse aber auch in absehbarer Zeit umgesetzt werden. Neben den Produktionsstufen «Zuschneiden und Nähen» sowie «Bleichen und Färben» müssten beispielsweise auch die Produktionsstufen «Baumwollernte» und «Garnherstellung» mit in die Bewertung zur Siegelvergabe einfließen.
Vor allem mit der Offenlegung von Produktionsstätten in Entwicklungsländern hätten einige Firmen Probleme. «Viele ziehen sich auf das Betriebsgeheimnis zurück und argumentieren, dass die Konkurrenz die Veröffentlichung von Produktionsdetails ausnutzen würde», sagte Hoppe. Transparenz sei für die Verbraucher aber «total wichtig».

Das Hilfswerk "terre des hommes" äußerte grundsätzliche Bedenken an der Wirksamkeit des Siegels. «Die große Anzahl der Kinder- und Menschenrechtsverletzungen im Textilsektor zeugt davon, dass dringendes Handeln gefordert ist», sagte Vorstandssprecher Albert Recknagel. Er sei jedoch skeptisch, ob das neue Siegel eine positive Wirkung haben werde. «Es ist fraglich, ob ein nationaler Alleingang die notwendige Kraft im Markt entfalten kann, damit sich eine Branche weiterentwickelt.» (epd/red)

Faire Gehälter ist ein Ziel, das mit Hilfe des Siegels erreicht werden soll. | Foto: epd-bild/Goran Sivacki/EST&OST
Autor:

Mirjam Petermann

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