Mein Pilger-Blog (4)
Pilger der Hoffnung

- Die Pilger der Hoffnung auf dem Weg zur Heiligen Pforte
- Foto: Nunzia Zagaria
- hochgeladen von Willi Wild
Vom 18. bis 24. Oktober befindet sich eine Reisegruppe von Leserinnen und Lesern der Mitteldeutschen Kirchenzeitung „Glaube+Heimat“ und „Der Sonntag“, der sächsischen Kirchenzeitung, anlässlich des Heiligen Jahres in Rom. Reiseleiter und Chefredakteur Willi Wild schreibt hier seine Eindrücke und Erlebnisse nieder.
Den heutigen Tag zu beschreiben, ist fast nicht möglich. Die spirituellen Erlebnisse waren so vielfältig, die Eindrücke überwältigend. Tag 3 stand zunächst unter dem Motto des Heiligen Jahres „Pilger der Hoffnung“. Am Beginn der Via Conciliazone, die direkt und geradeaus zum Petersdom führt, sammelten sich die Pilgergruppen. Vor uns eine Gruppe aus Polen, hinter uns Franzosen. Zunächst bekam jeder eine Pilger-Bag mit T-Shirt, Halstuch, Wasserflasche, Rosenkranz und Sonnenhut. Zudem gab es eine Art Pilger-Liturgie mit einer Lesung aus dem Römerbrief (Röm 5,1-5), Psalmworten, der Allerheiligenlitanei, Vaterunser und dem Glaubensbekenntnis.
Pro 100 Pilger, ein Kreuzträger. Und so machten wir uns langsam und schweigend auf den Weg. Pilger haben Vorfahrt, und so musste der Verkehr an den Kreuzungen warten, bis wir teils betend, singend oder meditierend die Straße überquert hatten. Leise Taizé-Gesänge gaben uns den Takt vor. Dazwischen immer wieder Stille in der ansonsten lauten Stadt. Es ist beeindruckend und bewegend, wie viele unterschiedliche Menschen aus allen Ländern der Erde sich aufmachen, um diesen Pilgerweg zu gehen. Etwa 35.000 Menschen sind es täglich, die allein die Heilige Pforte und den Petersdom zum Ziel haben. Und wir sind mittendrin.
Es macht keinen Unterschied, welcher Konfession man angehört. Uns eint die Basis unseres Glaubens. Alle hören die Worte aus der Heiligen Schrift. Alle beten das Vaterunser. Gemeinsam bekennen wir unseren christlichen Glauben. Ein tiefes Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Verbundenheit mit dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Die nüchterne evangelische Kirche ist relativ arm, was Identifikationspunkte anbelangt. Hier in Rom spüren wir, dass es aber wichtig ist, Orte zu haben, zu denen wir pilgern, Symbole, wie die Heilige Pforte, die offene Tür, durch die wir betend schreiten. Der Gang durch die Pforte macht es nicht und der Seismograf hat auch nicht ausgeschlagen. Es ist vielmehr ein Perspektivwechsel und eine Neuorientierung.
Die Vatikanischen Museen, 16 an der Zahl, in 1.400 Räumen, Galerien und Kapellen, gehören zum Vatikanbesuch dazu. Allerdings ebenso der Hinweis zu Anfang, dass es Monate dauern würde, sich einen Überblick über die mehr als 70.000 Kunstwerke zu verschaffen. Und so schieben wir uns, so schnell es bei den Menschenmassen eben geht, durch die endlosen Gänge, hin zu der größten Kapelle der Welt. Auf dem Weg sehen wir nur einen Bruchteil der Schätze. Die Sixtinische Kapelle gleicht einer großen Bahnhofswartehalle. Von Andacht ist da wenig zu spüren. „Avanti, Avanti!“ heißt es an jeder Ecke. Kurz ein Blick auf die „Erschaffung des Adam“ und schon ist man wieder draußen. Die Sixtinische Kapelle ist 40 Meter lang, 13 Meter breit und 20 Meter hoch. Die Maße orientieren sich an den Proportionen des Salomonischen Tempels in Jerusalem. Eine Inschrift in der Kapelle vergleicht Papst Sixtus IV., der die nach ihm benannte Kapelle beauftragte, mit König Salomo: „Du Sixtus, der in seinen Werken Salomo nicht gleichkommt, ihn in seiner Frömmigkeit jedoch übertrifft, hast diesen großartigen Tempel geweiht.“
Für den Nachmittag ist eine ökumenische Einheit vorgesehen, und die bekommen wir aus berufenem Mund, von Pater Augustinus Sander OSB, der beim Dikasterium für die Förderung der Einheit der Christen den Dialog zwischen der katholischen Kirche und den lutherischen Kirchen verantwortet. Für ihn ist der ökumenische Dialog eine Übersetzungsarbeit, die das gegenseitige Verständnis wecken und stärken soll. Für den Papst, so Pater Augustinus, ist die Ökumene Chefsache. Das Papstamt sei schließlich ein Amt der Einheit, erklärt er. Dass die Fortschritte in Sachen Einheit der Christen nicht stärker sichtbar seien, heiße nicht, dass es sie nicht gebe. Viele Ergebnisse der Verständigung seien heute auch schon selbstverständlich. Das gelte aber noch nicht für das strittige Thema des gemeinsamen Abendmahls. Der Wunsch bestehe jedoch auf beiden Seiten, einen differenzierten Konsens auch in dieser Frage zu erreichen.
Den Abschluss des Tages bildete der Besuch bei der Gemeinschaft Sant‘Egidio und die Teilnahme an der täglichen Abendandacht. Die christliche Laienbewegung wurde 1968 in Rom gegründet und hat mittlerweile 60.000 Mitglieder weltweit. Die Gemeinschaft basiert auf den Grundpfeilern Gebet, Solidarität mit Armen und Friedensarbeit. Sie setzt sich für soziale Hilfe für Menschen in Not, Friedensverhandlungen, Ökumene und den interreligiösen Dialog ein – ehrenamtlich! Generalsekretär Cesare Zucconi hat uns empfangen und berichtet über die beeindruckende Arbeit. Er betont, dass die Arbeit die Konsequenz aus der Auseinandersetzung mit der Bibel sei. Das Hören auf das Wort Gottes, das Gebet und die praktische Weitergabe des Evangeliums in Wort und Tat kennzeichne Sant‘Egidio. Sie kümmerten sich nicht nur um Menschen in Not, sondern pflegten die „Freundschaft mit den Armen“.
Täglich lädt Sant‘Egidio in die Basilika Santa Maria Trastevere zum Abendgebet ein. Die Elemente sind Gesang, Schriftlesung, Auslegung und Gebet. Die Kirche ist an diesem Montag bis auf den letzten Platz besetzt. Und das sei keine Ausnahme, erzählt man uns. Der italienische Historiker und Gründer der Gemeinschaft Andrea Riccardi legt den Bibeltext aus dem 1. Buch Mose aus. Für uns gibt es eine deutsche Übersetzung. Das war ein langer Tag, angefüllt mit Eindrücken, die ich erst mal auf mich wirken lassen muss.
Autor:Willi Wild |
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