Auf neue Gedanken kommen

Auf zum Frühjahrsputz: Die Passionszeit wurde als eine Reinigungszeit verstanden. Eine Zeit, um zu prüfen, ob die Seele einen Frühjahrsputz braucht. | Foto: natali_mis – stock.adobe.com
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Kirchenjahr: Die Passionszeit ist eine große Einladung. Der Glaubenskurs der Kirchenzeitung widmet sich den kirchlichen Festen und zeigt, warum sie eine Schule
für Lebenskunst sind.

Von Fabian Vogt

Schon lange vor der Entstehung des Christentums zelebrierten die Menschen jedes Jahr im Frühjahr den Neubeginn. Den belebenden Übergang vom Dunklen ins Helle, von der Kälte in die Wärme und von der Verzweiflung in die Hoffnung: Es wird Licht! Wie schön. Lasst uns feiern.
Die frühen Christinnen und Christen übernahmen diesen Brauch und verbanden ihn mit der Auferstehung Jesu, die ja ohnehin mit einem israelitischen Fest in der Frühlingszeit verbunden war. Zugleich erinnerten sich die Gemeinden daran, dass man umso erfüllter feiern kann, je besser man sich darauf vorbereitet. Also legten sie vor die Osterfeier eine vierzigtägige Fastenzeit, die sogenannte Passionszeit. Und weil es gar nicht so einfach war, diese Wochen gut durchzustehen, beschlossen die Menschen, vor dem Fasten noch mal richtig einen drauf zu machen. So entstand der Karneval.
Man weiß zwar nicht ganz genau, woher das Wort »Karneval« kommt, aber zwei Erklärungen klingen besonders nachvollziehbar: Entweder steckt dahinter »Carne vale«, zu deutsch: »Fleisch, lebe wohl« (weil viele Regionen beschlossen, in der Passionszeit auf Fleisch zu verzichten) oder »Carrus navalis« – womit die Umzugswagen gemeint sind, mit denen schon die Germanen den alljährlichen Wiedereinzug der Fruchtbarkeitsgötter begingen. Und weil man dabei gleichzeitig die dunklen Wintergeister vertreiben wollte, verkleideten sich die Leute mit allerlei kuriosen Masken und Kostümen. Das heißt: Selbst die Rosenmontagsumzüge spiegeln uralte religiöse Bräuche wider.
Tja, und weil es klug ist, nicht nur die dunklen Geister, sondern auch die dunklen Gedanken zu vertreiben, gilt die Passionszeit schon immer als eine Zeit der Einkehr. Was auch zum Fasten passt, das ja weniger ein Verzichten-Auf-Etwas, als ein Freiwerden-Für-Etwas sein will. Dahinter verbirgt sich ursprünglich die Frage: Wie kann ich in meinem von so vielen Gewohnheiten bestimmten All-
tag einen Unterschied machen, damit ich auf neue Gedanken komme? Zum Beispiel, indem ich mich anders ernähre. Indem ich regelmäßig spazieren gehe. Oder indem ich anderweitig meinen Tagesablauf verändere. Denn wer nicht aus seinen äußeren Routinen aussteigt, dem wird es auch schwer fallen, seine inneren Routinen zu hinterfragen.
Wie sehr die Passionszeit von Anfang an als eine Reinigungszeit verstanden wurde, zeigt übrigens der Aschermittwoch, mit dem das Fasten ja eingeleitet wird. Asche wird nämlich schon seit Jahrtausenden als Reinigungsmittel genommen. Außerdem symbolisiert sie das reinigende Feuer. Und deshalb wurden eine Zeitlang sogar all diejenigen, die eine Schuld auf sich geladen hatten, während der Fastenzeit vom Gottesdienst ausgeschlossen. Sie bekamen dann ein sogenanntes »Büßergewand« und wurden mit Asche bestreut. Daher auch der neckische Ausdruck: »Da geht jemand in Sack und Asche.« Heute erhalten Katholiken und in einigen Gemeinden auch evangelische Christen stellvertretend für diese uralten Reinigungshandlungen ein Aschekreuz auf die Stirn: »So, gehe frisch und erneuert in die Passionszeit.«
Es ist großartig, dass das Christentum sich regelmäßig Zeiten gönnt, in denen die Menschen eingeladen werden, innezuhalten und vor dem großen alljährlichen Neubeginn des Kreislaufs von Säen und Ernten das eigene Dasein in Ruhe zu überdenken – und zu prüfen, ob sich vielleicht irgendwo in einem »winterliche« Gedanken und Gefühle eingenistet haben, die dringend mal einen geistlichen Frühling brauchen. Quasi einen Frühjahrsputz der Seele.
Und natürlich scheint in diesen Prozess immer schon das Licht von Ostern: diese Botschaft, die deutlich macht, dass es bei Gott keine Dunkelheit
gibt – nicht einmal den Tod – die nicht vom Licht der Liebe erhellt werden könnte. Eine Zusage, mit der man sich den persönlichen Herausforderungen frohgemut stellen kann.

Der Autor ist Theologe, Schriftsteller und Kabarettist

Buchtipp
Vogt, Fabian: Feier die Tage. Das kleine Handbuch der christlichen Feste, Evangelische Verlagsanstalt, 144 S., ISBN 978-3-374-05309-4, 10 Euro
Bezug über den Buchhandel oder den Bestellservice Ihrer Kirchen­zeitung: Telefon (0 36 43) 24 61 61

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