Jubiläum
"Ordination ist richtig und wichtig“

Die Gemeindepädagogische Ausbildung in Potsdam und im Studiengang Religionspädagogik an der Evangelischen Hochschule Berlin feiert 40 Jahre Bestehen. Von Midlife-Crisis keine Spur.

Von Nora Tschepe-Wiesinger

Gesegnet“ steht in großen Graffiti-Buchstaben an der Wand, davor ein Hashtag. „Das ist der Renner bei uns in der Jugendarbeit“, erzählt Julia Daser den rund 30 Studierenden, die vor ihr sitzen. Mittlerweile gibt es Pullis, Turnbeutel und Armbänder mit dem Schriftzug, die die Jugendlichen sogar in der Schule tragen. „Sie ­fühlen sich dadurch verbunden“, sagt Daser. Ihre Stimme ist etwas heiser; letzte Woche war sie mit 150 Jugendlichen in einem Konfirmanden-Camp. Davon sei die Hälfte jetzt ­erkältet – Alltag als Kreis­jugendpfarrerin.
Julia Daser ist Kreis­jugendpfarrerin im Kirchenkreis Zossen-Fläming in Brandenburg. Von 1998 bis 2002 hat sie Religionspädagogik mit dem Schwerpunkt Gemeindepädagogik an der Evangelischen Hochschule in Berlin-Zehlendorf (EHB) studiert; 2012 wurde sie ordiniert – als Gemeindepädagogin im Pfarramt. Damit ist sie unter anderem befähigt zu predigen, Menschen zu taufen und das Abendmahl auszuteilen.

Das ist keine Selbstverständlichkeit. Nur in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und (bis 2004) in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs können Absolventen des Studiengangs Religionspädago-gik an der Evangelischen Hochschule Berlin nach zweijährigem Vikariat ordiniert werden und im Pfarrdienst arbeiten. „Ich finde die Ordination richtig und wichtig“, sagt Daser. „Wenn ich Konfirmanden zwei Jahre lang begleite, will ich sie zum Schluss auch einsegnen dürfen.“

Die Frage nach der Ordination war nur eine von vielen bei der Konzeption der Gemeindepädagogischen Ausbildung vor 40 Jahren. 1969 begann mit der Gründung des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR eine umfassende Kirchenreform als Reaktion auf die kirchlichen ­Herausforderungen der damaligen Zeit: Der Staat gab einen programmatischen und kämpferischen Atheismus vor – die Mitgliederzahlen der Kirchen sanken drastisch. „Vor diesem Hintergrund musste Kirche neu gedacht werden“, sagt Hanna Kasparick, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studiengang Religionspädagogik an der EHB. „Alle mussten sich fragen: Was für eine Kirche wollen wir sein, und mit wem können wir das umsetzen?“

Geplant war eine gemeinsame Grundausbildung der unterschied­lichen kirchlichen Berufsgruppen, die jede und jeden dazu befähigen sollte, Bezugsperson und Repräsentant der Kirche vor Ort zu sein und das Evangelium eigenständig zu verkündigen. Man wollte eine Gemeinschaft der Dienste schaffen: weg von einer parochialen Ordnung, die den Pfarrer als zentrale Figur der Gemeinde betrachtete, hin zu einer gegenseitigen Wertschätzung und Zusammenarbeit.

Im Zusammenhang mit diesen Reformansätzen entstand das Berufsbild des Gemeindepädagogen. Der Fokus lag auf einer praxisorientierten Ausbildung, die einen Schwerpunkt auf Psychologie, Soziologie, Didaktik und Praktische Theologie legte. 1979 wurde in Potsdam die Ausbildungsstätte für Gemeindepäda-gogik gegründet. Der erste Ausbildungskurs startete mit 16 Studierenden und zwei Dozierenden, einer von ihnen war der Wehrdienstverweigerer und Theologe Peter Schicketanz.

Heute gibt es in der EKBO und der EKM zwei Wege in den ordinierten Dienst: einen über die akademische Theologie und einen über das Studium der Gemeindepädagogik. „Beide sind wichtig und wertvoll“, sagt Hanna Kasparick. Dass Gemeindepädagogen eine andere Ausbildung durchlaufen als Theologen sei kein Manko, sondern eine Bereicherung. „Es ist doch toll, wenn zum Beispiel in der Arbeit mit Konfirmanden oder Jugendlichen jemand da ist, der genau das besonders gelernt hat“, sagt Kasparick. Sie wünscht sich, dass in den Gemeinden insgesamt noch mehr von den unterschiedlichen Qualifikationen der haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden profitiert wird.

So sieht es auch Julia Daser. Sie möchte aus ihren Gemeindegliedern mündige selbstständige Christen machen. „Ich halte nichts von einer Pfar-rerzentriertheit, in der die Gemeindeglieder nur das denken, was die Pfarrerin sagt.“ Diese ihre Haltung habe sich vor allem im Gemeindepädagogikstudium entwickelt, erzählt sie.
Aktuell studieren 114 Frauen und Männer an der EHB im Bachelor-, Master- und berufsbegleitenden Studium. Nur einige von ihnen machen am Ende ihres Studiums ein Vikariat. Mit einem Doppelabschluss in Sozialer Arbeit können sie neben der Anstellung im ­Religionsunterricht oder in Kirchengemeinden auch bei freien Trägern, in Beratungsstellen oder Kultureinrichtungen arbeiten.

Autor:

Online-Redaktion

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