Predigttext
Vertrauen schenken

Henrike Kant | Foto: Henrike Kant


Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm.Matthäus 9, Vers 9

Probier doch mal die Route hier, die könntest du schaffen!“, sagt mein Bekannter, und wir schauen beide die Wand hinauf.

Von Henrike Kant

Ich war jahrelang nicht mehr in der Boulderhalle und bin etwas eingeschüchtert von den Griffen und Tritten und der Höhe. Bouldern ist Klettern ohne Sicherung bis zur Absprunghöhe. Ich muss darauf vertrauen, dass meine Hände mich halten, dass mich die Höhe nicht auf halber Strecke überwältigt und ich mich, wenn ich falle, gut abrollen kann. Die Route, die wir anschauen, hatte ich schon gesehen. Und überlegt: Soll ich es versuchen, oder ist sie mir zu schwer? „Probier doch mal!“, sagt mein Bekannter.

„Folge mir!“, spricht Jesus zu dem Zöllner Matthäus. Zu einem, der lieber mal die Füße still halten sollte, wenn es nach den anderen geht. Matthäus ist einer, der viel zu eng mit den römischen Besatzern zusammenarbeitet und seine Mitbürger um ihr Geld betrügt. Ausgerechnet ihn fordert Jesus dazu auf, mitzukommen. Ihn, der sich nicht mal auf den Weg gemacht hat, um Jesus reden zu hören, sondern nur zufällig am Zoll saß, als Jesus vorbeikam.

Was mag Matthäus vorher durch den Kopf gegangen sein? Ich stelle mir vor, dass er schon von einem anderen Leben geträumt hat. Davon, alles hinter sich zu lassen: den Ärger mit den Dorfbewohnern; das Soll, das es zu erfüllen gilt; das Balancieren zwischen Juden und Römern. Aber was soll er anderes tun, sonst hat er nichts gelernt.

Jetzt aber steht Matthäus auf und folgt Jesus. Ohne zu zögern, ohne zurückzuschrecken. Ohne zu wissen, wohin es geht, und warum ausgerechnet er ausgewählt wurde. Das ist vielleicht das größte Wunder: Er, den man verachtet und dem man misstraut – er wird wahrgenommen und ernst genommen. Jesus und Matthäus schenken einander Vertrauen, ohne sich vorher abzusichern. Der eine vertraut: Folge mir, du bist der Richtige. Der andere vertraut: Dein Weg wird mir ein guter Weg sein. Hier wird Gottes Wirken sichtbar und spürbar. Wo ich solches Vertrauen erlebe, kann ich Gottes Wirken in meinem Leben wahrnehmen. Wenn ich Vertrauen schenke, und es dadurch wächst. Wenn mir Vertrauen geschenkt wird, das mich stärkt. Dann ist Gott ganz nahe. 

Die Autorin ist Pfarrerin in Biederitz.

Autor:

Online-Redaktion

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