Bibelarbeit der Allianzkonferenz
Der Kern des Christentums

Die Person Jesu Christi, vor allem sein Sterben für uns, ist der Kern des christlichen Glaubens. "Wie gut, dass wir solch einen Herrn haben, der, weil er ganz mit uns gelitten hat, uns auch Vergebung unserer Schuld schenken kann", sagt Hans-Jürgen Abromeit. | Foto: Romolo Tavani – stock.adobe.com
2Bilder
  • Die Person Jesu Christi, vor allem sein Sterben für uns, ist der Kern des christlichen Glaubens. "Wie gut, dass wir solch einen Herrn haben, der, weil er ganz mit uns gelitten hat, uns auch Vergebung unserer Schuld schenken kann", sagt Hans-Jürgen Abromeit.
  • Foto: Romolo Tavani – stock.adobe.com
  • hochgeladen von Mirjam Petermann

Im Leiden Christi kommen zwei Aspekte zusammen: das Mit-Leiden und das Sühne-leiden. Häufig werden sie getrennt, obwohl sie eigentlich zusammengehören.

Von Hans-Jürgen Abromeit

In Greifswald wurde in den vergangenen Tagen das Rock-Musical „Jesus Christ Superstar“ gespielt. Dem Theater Vorpommern ist eine grandiose Open Air-Aufführung gelungen. Daran kam auch die „Ostsee-Zeitung“ nicht vorbei, die einzige regionale Tageszeitung an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns und bis 1989 das Zentralorgan der SED im Bezirk Rostock. Ausgerechnet einem Journalisten aus dieser längst vergangenen Zeit wird die Berichterstattung über die Aufführung übertragen. Er kommt nicht umhin, die Darstellung zu loben, lässt aber als einzige Zuschauerin nur eine stadtbekannte Altkommunistin zu Wort kommen. Diese sagte, "Jesus Christ" habe sie künstlerisch überzeugt, aber das Thema habe ihr nicht gefallen.
Diese Aussage scheint mir heute weithin auf Zustimmung zu stoßen, nicht nur bei Altlinken, sondern auch bei Neulinken und Rechten, bei Intellektuellen und auch bei weniger Gebildeten. Kulturell ist man interessiert an den Dauerhits der geistlichen Musikgeschichte: Kultur ist gut, aber die Inhalte werden abgelehnt oder sind schlicht unbekannt. Das gilt auch für die selbsternannten Verteidiger des sogenannten christlichen Abendlandes.
Deutschland und Europa insgesamt scheinen von „Christophobie“ geprägt, ganz anders als andere Weltgegenden. Eine Phobie ist eine krankhafte Angst, eine psychische Störung vor einer bestimmten Situation, einem bestimmten Zustand. Christophobie verhindert, dass Europa sich seiner Wurzeln besinnt. Das Thema gefällt nicht.
Was aber ist das christliche Erbe Europas? Genauer: Was ist der Kern des Christentums? Das zweite Kapitel des Hebräerbriefes hält dazu eine wichtige Antwort bereit: Der Kern des christlichen Glaubens ist die Person Jesu Christi, vor allem sein Sterben für uns.
Da sind die einen, und die vertreten eine politische Theologie. Sie sind aufgebracht von all dem Elend, das auf dieser Welt geschieht und dem die Menschen ausgeliefert sind: Armut, Hunger, Missbrauch. Dann betont man, dass Jesus Christus dieses Elend geteilt hat und solidarisch mit uns Menschen mitgelitten hat. Es gibt kein Elend, das Jesus nicht gekannt hat. Jesu Leiden ist dann Mit-Leiden.
Da sind die anderen, die die Schuldhaftigkeit der menschlichen Existenz betonen. Jeder Mensch ist Sünder und zutiefst erlösungsbedürftig. Sie wissen um den tiefen Graben zwischen Mensch und Gott. Sünde hat ja im Deutschen etwas mit Trennung zu tun. Gott ist heilig und der Mensch ist ein Sünder. Da gibt es kein Hinüber und Herüber. Nur weil Jesus stellvertretend für die Sünden einer ganzen Menschheit stirbt, ist Vergebung möglich. Nur so macht er diejenigen, die an ihn glauben, heilig und eröffnet ihnen neu einen Zugang zu Gott.
Der Hebräerbrief verbindet beide Bedeutungen: "Darum war es notwendig, dass er in jeder Hinsicht den Brüdern und Schwestern gleich wurde. Denn er sollte ein barmherziger und treuer Oberster Priester werden. Er sollte vor Gott für sie eintreten, um für die Schuld des Volkes Vergebung zu erlangen. Denn er selbst wurde ja durch sein Leiden auf die Probe gestellt. Deshalb kann er den Menschen helfen, die auf die Probe gestellt werden." (Hebräer 2, Vers 17 und 18)
Der Sohn, Jesus, wird vollendet, indem er mit den Menschen mitleidet. Das ist eine ungeheure Aussage. In Jesus ist Gott selbst auf dem Plan. Indem er sich für die Menschen hingibt, opfert sich Gott selbst für seine Menschen und leidet. Das ist unglaublich: Gott leidet! Kein Mensch der Antike konnte sich das vorstellen oder denken: Gott leidet! War Gott nicht unwandelbar und deshalb unfähig zu leiden? Das entsprach der damaligen philosophischen Denkweise von Gott.
Im Gegensatz dazu aber formuliert der Hebräerbrief im Kapitel 5, ab Vers 7: „In den Tagen seines irdischen Lebens hat Jesus seine Gebete und sein Flehen vor Gott gebracht. Mit lautem Rufen und unter Tränen brachte er sie vor Gott. Denn der konnte ihn aus dem Tod retten. Und aufgrund seiner Ehrfurcht vor Gott ist er erhört worden. Obwohl er der Sohn war, musste er durch das, was er gelitten hat, den Gehorsam lernen. So wurde er zur Vollendung gebracht. Seitdem ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber ihrer ewigen Rettung geworden.“ Der Sohn wird vollendet, indem er durch Anfechtungen und Leiden hindurch muss. Indem der Sohn mit den Menschen solidarisch mitleidet, erlöst er die Menschen.
Es gibt eine tiefe Verbindung zwischen dem solidarischen Mitleiden Jesu und seinem sühnewirkenden Tod. Beide Aspekte des Sterbens Jesu gehören unbedingt zusammen. Nur in dieser Fülle der Bedeutung entfaltet das Sterben Jesu seine Wirkung. Deswegen redet der Hebräerbrief von der „Vollendung“. Im Mitleiden Jesu erfährt Gott die Tiefe des Leids, das äußerste und volle Mensch-Sein. Nur als solch wirklicher Mensch steht Jesus uns bei und sagt: „Ich kenne dein Leid!“ So ist der Sohn Gottes ganz Mensch geworden und übernimmt als solcher die Sünde einer ganzen Menschheit. Weil Jesus – wie es hier heißt – „in jeder Hinsicht“ (Vers 17) den Menschen gleich geworden ist, deswegen hat er einen außerordentlichen priesterlichen Dienst übernehmen können. Er ist zu einem „Hohenpriester“ eigener Art geworden. Seine Aufgabe wird auch gleich erklärt: „Er sollte vor Gott für sie eintreten, um für die Schuld des Volkes Vergebung zu erlangen“ (Vers 17). Jesus kann Sündenvergebung bewirken, weil er gelitten hat. Nur der Sohn Gottes, der ganz Mensch wurde, kann zur Brücke zu Gott werden.

Der Autor ist Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern. Der Text ist ein Auszug seiner Bibelarbeit auf der Allianzkonferenz zu Hebräer 2, Verse 1 bis 18.

Die Person Jesu Christi, vor allem sein Sterben für uns, ist der Kern des christlichen Glaubens. "Wie gut, dass wir solch einen Herrn haben, der, weil er ganz mit uns gelitten hat, uns auch Vergebung unserer Schuld schenken kann", sagt Hans-Jürgen Abromeit. | Foto: Romolo Tavani – stock.adobe.com
Hans-Jürgen Abromeit in der Bad Blankenburger Konferenzhalle | Foto: Mirjam Petermann
Autor:

Mirjam Petermann

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

5 folgen diesem Profil

2 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.