Pro und Kontra
Das Reformationsjubiläum – ein Christusfest?

Foto: G+H

Wen oder was feiern wir: Am Anfang stand die Lutherdekade. Dann war vom Reformationsjubiläum die Rede. Da es aber nicht nur zu feiern, sondern auch kritisch zurückzublicken galt, wurde ein Reformationsgedenken daraus. Der Vorschlag eines Christusfestes kam 2013 vom Vorsitzenden der Ökumenekommission
der Deutschen Bischofskonferenz, dem Magdeburger Bischof
Gerhard Feige. Es »könnte uns Christus näherbringen, und dann würde es uns auch einander näherbringen«. Was war es wirklich?

Pro

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm dachte die Idee weiter: »Das Reformationsjubiläum 2017 ist im Kern ein Christusfest, das die Botschaft von der freien Gnade Gottes ausrichten will an alles Volk.« Das Fest wurde konkret in gemeinsamen Versöhnungsgottesdiensten, einer ökumenischen Pilgerfahrt, in der Ausgestaltung des »Europäischen Stationenweges« und vielen lokalen Initiativen.
Die Offenheit dieses kirchenoffiziellen Gedankens hat aber darüber hinaus das Profil des Reformationsjubiläums insgesamt nachhaltig beeinflusst. Dazu vier persönliche Eindrücke:
1. Der Bezug auf Christus stellte der Versuchung, ein Lutherfest zu feiern, einen starken thematischen Akzent gegenüber.
2. Die evangelische Kirche ist älter als 500 Jahre und wurzelt in der einen auf Christus gegründeten 2 000-jährigen Kirche und ihrer Ursprungsgeschichte im Volk Israel.
3. Das Reformationsgedenken erschöpft sich nicht in der Betrachtung von Erbe und Wirkung. Seine Botschaft kommt vielmehr in den Gottesdiensten zum Ausdruck, in denen »Christus für uns heute« (D. Bonhoeffer) gefeiert wird.
4. Der klare Hinweis auf Christus wehrte der mancherorts zu beobachtenden Vermarktung des Reformationsfestes als »Party mit weltanschaulichem Mehrwert« (W. Gebhardt).
Sicher, das Reformationsjahr war auch das: Lutherfest, religiöses Event, Kirchengeburtstag. Aber auch dieses: Gottesdienst, missionarisches Ereig-
nis, Glaubensfest, Christusfest. Die vielen Tausend Besucherinnen und Besucher der Gottesdienste und Kirchentage sind von Christus beschenkt, ermutigt und gesegnet ihre Straße fröhlich gezogen.

Superintendent Sebastian Neuß, Kirchenkreis Jena


Kontra

Der Begriff »Christusfest« fiel in der Vorbereitung des Reformationsjubiläums meist in einem ökumenischen Kontext. Besonders unseren römisch-katholischen Geschwistern im Glauben war daran gelegen, mit uns im Jahre 2017 die Mitte unseres Glaubens, Jesus Christus, zu feiern und nicht eine (Luther) oder mehrere Persönlichkeiten der Kirchengeschichte (die Reformatoren), da diese zwar zu einer Rückbesinnung auf biblische Wahrheiten beigetragen haben, aber leider eben auch dazu, dass es eine erneute Kirchenspaltung gegeben hat.
Als Ziel hatten die evangelischen Organisatoren davon gesprochen, nicht nur 500 Jahre Reformation begehen zu wollen, sondern auch die Rolle der Reformation bei der Entstehung der Moderne. Dieser durchaus anerkennungswerte Teilaspekt ist meines Erachtens zu sehr in den Vordergrund getreten.Besonders bei den Veranstaltungen in der Lutherstadt Wittenberg selbst. Und noch stärker, wenn man sich die Präsentationen der Weltausstellung angeschaut hat.
Natürlich gab es dort auch ein Christuszelt, den Gnadauer Pavillon, den RefoBeach des CVJM, die Lichtkirche und viele wunderbare Gottesdienste, in denen Jesus Christus im Mittelpunkt stand, aber im Verhältnis zu den anderen Angeboten reicht das nicht aus, das gesamte Reformationsjubiläum als »Christusfest« zu bezeichnen.
Es ist natürlich auch nicht so einfach, Jubiläen und Kirchentage mit bestimmten Schwerpunkten zu feiern und dabei alle Christen ins Boot zu holen, egal, ob sie eine eher liberale, konservative, pietistische oder charismatische Frömmigkeit haben. Und gleichzeitig ökumenisch ausgerichtet zu sein und, besonders hier in Mitteldeutschland, offen zu sein für unser kirchenfernes Umfeld.

Pfarrer Dr. Jürgen Hofmann, Pratau bei Wittenberg

Autor:

Online-Redaktion

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