FREITAG, VOR EINS ...
Unsere Seite 1 - einfach schwer

G+H Nr. 17 vom 25. April 2021, Sonntag Jubilate | Foto: Foto: G+H
  • G+H Nr. 17 vom 25. April 2021, Sonntag Jubilate
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Die christliche Botschaft lässt sich auf diesen einen Satz reduzieren: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Ein schöner Satz. Ein radikaler Satz. So einfach und doch so unendlich schwer. Anderen mit Freundlichkeit und Sanftmut zu begegnen, ist vermutlich eine der größten Herausforderungen in dieser Pandemie.

In dieser Woche appellierte der Leiter der Wormser Polizeiinspektion, Thomas Lebkücher, an die Nächstenliebe und die damit einher gehende Verantwortung einer Gruppe von Menschen, die sich in Worms versammelt hatten, um zu singen und zu beten. Ohne Abstand zu halten, teilweise ohne Masken zu tragen. Die Männer und Frauen planten etwas, das sie als Gottesdienst bezeichnet hatten, aber was zuvor ein Gericht untersagt hatte. Polizist Lebkücher erklärte zunächst, dass ein Grundrecht - hier die Religionsfreiheit - ein anderes - das auf Leben - nicht aushebelt. Er bat die Menschen, sich als gläubige Christen an die geltenden Regeln zu halten: "Denken Sie an das christliche Gebot der Nächstenliebe!" Was das in dieser Situation bedeutet? So zu beten, dass man keinem anderen schadet. Lebkücher löste den Konflikt damit offensichtlich friedlich.
 
Dass das auf Demonstrationen immer seltener der Fall ist, offenbarte die jährliche «Rangliste der Pressefreiheit 2021» von «Reporter ohne Grenzen». Wegen der vielen Übergriffe auf Journalistinnen und
Journalisten bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen ist Deutschland von «gut» auf nur noch «zufriedenstellend» herabgestuft worden, berichtete der Evangelische Pressedienst in dieser Woche.  Die Herabstufung nennt Vorstandssprecher Michael Rediske ein «deutliches Alarmsignal». Gewalt gegen Medienschaffende habe hierzulande auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen oder auf Demos zum 1. Mai eine nie gekannte Dimension erreicht. 2020 zählte «Reporter ohne Grenzen» mindestens 65 gewalttätige Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten, eine Verfünffachung gegenüber 2019.

«Wir werden als Systemjournalisten beschimpft», sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall.  «Ja, wir stehen für das demokratische System. Wer das ablehnt, hat in uns sozusagen die richtigen Gegner.» Pressefreiheit sei genauso wie Demonstrationsfreiheit ein Grundrecht. Die Corona-Pandemie stellt nicht nur unser Gesundheitssystem auf die Probe, sondern auch unser Miteinander. Klar in der Position zu bleiben und sanft im Ton, gegenteiliger Meinung zu sein ohne den anderen als Menschen abzuwerten - das ist zur hohen Kunst geworden. 

Es heißt ja immer: Genau diese hohe Kunst haben die Christen in der DDR eingeübt. In ihren Gemeinden und Kirchenkreisen und vor allem auf Synodentagungen zeigten sie, was konstruktive Kritik zu leisten vermag und ermöglichten auch damit die Friedliche Revolution und demokratische Basisstrukturen in diesem neuen Deutschland. Als ehemalige Lokalreporterin einer Tageszeitung bin ich jedenfalls immer wieder von der kirchlichen Debattenkultur begeistert: Da wird nicht polemisiert und nicht gespalten; und wer einen Antrag nicht durchbekommt, bleibt höflich und fühlt sich nicht persönlich angegriffen. Das war auch auf der ersten Tagung der neuen Landessynode zu spüren. Trotz der Marathonsitzung am Bildschirm. 
 

Unsere Themen:

  • EKM-Synode: Fünf Tage dauerte die erste Tagung der neuen Synode. Dabei hat sich das „Kirchenparlament“ konstituiert, intensiv beraten und weitreichende Beschlüsse gefasst.
  • Staatsleistungen: Experten bewerten den Gesetzentwurf zur Ablösung.
  • Pisa liegt in Thüringen: Der Turm der Oberkirche in Bad Frankenhausen hat sich aufgrund seiner Neigung zum Besuchermagneten entwickelt. Bis Ende 2023 soll die Kirchenruine zu einem Veranstaltungs- und Informationszentrum ausgebaut werden.

Und außerdem:

Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution

  

Lebendige Nutzgegenstände
Das Alte ist vergangen – und das ist gut so

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Autor:

Katja Schmidtke

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