Jüdische Gemeinde
Über Altersbegrenzungen, Amtsperioden und Briefwahl

Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Berlin, Gideon Joffe (Bild vom 9.11.2018) | Foto: epd-bild/Christian Ditsch
  • Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Berlin, Gideon Joffe (Bild vom 9.11.2018)
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Rund um diese Wahl in der größten jüdischen Gemeinde Deutschlands herrscht seit Wochen erbitterter Streit. Es gibt Aufrufe, die Abstimmung zu boykottieren, ein Wahlbündnis hat sich zurückgezogen. Der Vorsitzende Gideon Joffe ist fest entschlossen, die Wahl durchzuführen. Nach jetzigem Stand endet sie am kommenden Sonntag. Danach werden die Stimmen ausgezählt und festgestellt, wer bei der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in die Repräsentantenversammlung einziehen kann.

Von Leticia Witte (kna)

Dieses Gremium hat zentrale Aufgaben: Es wählt nach Gemeindeangaben unter anderen den Vorstand und die Delegierten der Gemeinde im Zentralrat der Juden in Deutschland. Die Versammlung beschließt demnach den Wirtschaftsplan für die Gemeinde und gibt Richtlinien vor, "nach denen die Gemeinde zu führen ist". Sie besteht aus 21 Personen und wird von Gemeindemitgliedern gewählt. Zuletzt waren es den Angaben zufolge knapp 9.000 Menschen.

Die aktuellen Auseinandersetzungen hatten sich an der neuen Wahlordnung entzündet. Sie sieht zum Beispiel eine Altersbegrenzung für Kandidatinnen und Kandidaten, eine verlängerte Amtsperiode und erstmals eine Briefwahl vor. Erläuterungen gab Joffe Mitte Juli auf der Internetseite der Gemeinde, verbunden mit guten Wünschen für Ferien und Urlaub. Der Streit allerdings machte keine Pause.

Kritische Stimmen sehen in der Altersbegrenzung auf 70 Jahre ein Mittel, um Bewerberinnen und Bewerber auszubooten. Der Vorsitzende weist dagegen darauf hin, dass man sich an ähnlichen Begrenzungen bei Landratswahlen, Kirchenvorstandswahlen und auch bei der Berufung von Schöffen orientiere. Und: Mit zunehmendem Alter steige die Gefahr einer beeinträchtigten Leistungsfähigkeit. Man wolle mehr junge Menschen motivieren, sich zur Wahl zu stellen, sagt Joffe. Darüber hinaus freue er sich sehr, dass sich Menschen über 70 Jahre auch anderweitig an wichtigen Stellen in der Gemeindearbeit einbrächten.

Allerdings dürfen Kandidatinnen und Kandidaten, die bereits im Amt sind, älter als 70 Jahre sein. Auch hierbei wird auf ähnliche Bestimmungen in anderen Wahlordnungen verwiesen. Diese seien mit Blick auf Landräte auch Vorbild bei der Verlängerung der Amtsperiode von vier auf sechs Jahre gewesen. Und auch bei der Begründung für die Briefwahl wird auf ein entsprechendes Vorgehen etwa bei Ärzte- und Rechtsanwaltskammern sowie bei der Deutschen Rentenversicherung hingewiesen. Zudem sei eine solche Wahl unabhängig von Ort und Zeit. Laut Wahlordnung könnten die Stimmzettel auch direkt im Wahlbüro in eine Wahlurne geworfen werden, so Joffe.

Wegen der neuen Regelungen hatte sich auch die frühere Vorsitzende der Berliner Gemeinde, Lala Süsskind (77), an das unabhängige Gericht beim Zentralrat der Juden gewandt. Dieses ordnete den Stopp der Wahl an. Der Zentralrat teilte mit: "Die satzungsgemäße Autonomie gewährleistet Jüdischen Gemeinden keinen rechtsfreien Raum." Das Gericht beim Zentralrat sei bei jüdischen Gemeinden immer dann zuständig, wenn es dort "keine eigene unabhängige Gerichtsbarkeit" gebe. "Das hat das Gericht beim Zentralrat im Fall der Jüdischen Gemeinde zu Berlin so festgestellt."

Joffe hält das Gericht dagegen für nicht zuständig, sondern ausschließlich das Schiedsgericht der Berliner Gemeinde. "Der Zentralrat zwingt mich zu einem Satzungsverstoß. Und wir sind gezwungen, die Entscheidung zu ignorieren", so Joffes Argumentation und Begründung, die Wahl wie geplant bis zum 3. September laufen zu lassen. "Die Gemeindemitglieder haben mittlerweile zwölf Jahre Erfahrung mit dem amtierenden Vorstand sammeln können. Bei allem, was der Vorstand tut, steht in erster Linie das Interesse der Gemeinde im Vordergrund, nicht das einzelner Kandidaten."

Süsskind, die nach eigenen Worten kandidieren wollte, sprach unlängst in einem Interview der "Jüdischen Allgemeinen" von undemokratischem Gebaren. Sie vermutet "Machterhalt" als Motivation für die neue Wahlordnung. Der Streit könnte andauern: Süsskind kündigte an, das Schiedsgericht der Gemeinde anzurufen. "Es ist abzusehen, dass es gegen uns entscheiden wird. Aber ich hoffe doch, dass ein deutsches Gericht sich dazu bereiterklären wird, die Klage anzunehmen." Vom Berliner Senat erwartet sie ebenfalls eine Positionierung.

Autor:

Katja Schmidtke

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