Gedenken nach Anschlag von Magdeburg
Lichtermeer vertreibt die Dunkelheit

Auf dem Weg zur Lichterkette: Der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige und der evangelische mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer.
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  • Auf dem Weg zur Lichterkette: Der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige und der evangelische mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer.
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Am ersten Jahrestag des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt ist in Magdeburg der Opfer gedacht worden. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff nahmen teil. Tausende erleuchteten bei der anschließenden Lichterkette die abendliche Innenstadt.

Von Thomas Nawrath und Yvonne Jennerjahn (epd)

Magdeburg. An den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist am ersten Jahrestag mit Gedenkveranstaltungen erinnert worden. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte beim Gedenken in der Johanniskirche in unmittelbarer Nähe des Anschlagsortes am Samstagabend, „wir betrauern jedes einzelne Leben“. Der Gewalt dürfe nicht das letzte Wort gegeben werden. Es gelte zusammenzustehen, wo Gewalt über Menschen hereinbreche, und denen beizustehen, die Gewalt erfahren müssen.

Merz betonte, das Verbrechen vom 20. Dezember 2024 habe sechs Leben ausgelöscht und das Leben von hunderten Angehörigen aus der Bahn geworfen. Auch Wut und Zorn dürften sein „im Auge von grausamen Verbrechen“ wie dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt, sagte der Bundeskanzler. Im Namen der Bundesregierung und auch ganz persönlich versichere er den Überlebenden und Angehörigen, „wir stehen an Ihrer Seite, heute und in Zukunft“.

Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit

Merz würdigte zugleich die Hilfsbereitschaft nach dem Anschlag. Der Tag sei auch „ein Tag der großen Mitmenschlichkeit“ gewesen, sagte der Bundeskanzler. Er wünsche allen, dass sie Quellen des Trostes finden.

Im Namen der Angehörigen sprach die Magdeburgerin Susanne Staab, Tochter der verstorbenen Rita Staab: "Die Opferfamilien wünschen sich von Stadt und Land, dass die Opfer und ihre Angehörigen nicht vergessen werden." Ihr Dank galt besonders den ehrenamtlichen Notfallseelsorgern um Doreen Majrchzak von den Pfeifferchen Stiftungen in Magdeburg, die sie seit einem Jahr begleitet.

Bei dem Terrorakt vor Jahresfrist waren sechs Menschen getötet und hunderte weitere verletzt worden. Der Attentäter war mit einem Auto durch die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gefahren. Ein aus Saudi-Arabien stammender Arzt muss sich deshalb derzeit vor Gericht verantworten.

Haseloff: Gewalttat hat Land verändert

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) betonte, die Gewalttat habe Stadt und Land verändert, sie habe Wunden gerissen und Misstrauen gesät. Zugleich habe eine große Welle der Solidarität und von ganz praktischer Hilfe eingesetzt, angefangen mit der Erstversorgung der Unfallopfer. „Wir haben Verletzlichkeit erfahren, aber wir dürfen nicht Verletzte bleiben“, sagte Haseloff: „Wir kapitulieren nicht vor dem Terror, wir leben unser Leben und unsere Traditionen.“

Der Ministerpräsident betonte, neben der Trauer gelte es auch zu danken, besonders den hunderten Einsatzkräften von Rettungsdiensten, Feuerwehr und Polizei, vielen freiwilligen Ersthelfern, darunter auch Schausteller und Besucher des Weihnachtsmarktes, sowie Ärzten und Pflegekräften in zahlreichen Kliniken im Umkreis von etwa 150 Kilometern. Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) betonte, es werde um alle getrauert und an alle gedacht, „deren Welt aus der Bahn geriet, deren Vertrauen in Sicherheit und Normalität erschüttert wurde“.

Gedenkstein und Lichterkette

Der Gedenktag hatte mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Johanniskirche begonnen. Der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige erinnerte in seiner Predigt an Gesten der Nächstenliebe trotz des Grauens des Anschlags. Zahlreiche Menschen in Magdeburg hätten vor Jahresfrist "denen geholfen, die eben noch Fremde waren, ohne abzuwägen und ohne zu sortieren und auszugrenzen.“ Damit hätten sie „die Finsternis nach dieser menschenverachtenden Tat durchbrochen und ein Licht angezündet“, sagte der Bischof.

Dennoch gebe es heute auch Lücken, weil geliebte Menschen aus dem Leben gerissen wurden oder noch immer unter den Folgen des Anschlags litten. Feige sagte: „Das Leben ist etwas dunkler geworden“, doch das Licht verlösche nicht. Ein Lichtblick für viele Betroffene dürfte der Gedenkstein sein, der am Samstagvormittag in der Nähe des Anschlagsortes eingeweiht wurde. Am Abend türmten sich bereits Gestecke, Blumen und hunderte hell flackernde Kerzen.

Schätzungsweise 10.000 Menschen bildeten im Anschluss eine fast zwei Kilometer lange Lichterkette um Teile der Magdeburger Altstadt. Bisweilen standen die Menschen mit ihren Kerzen in Dreier-, Vierer- oder Fünferreihen und verwandelten die Stadt zum Lichtermeer.

Um 19.02 Uhr, der Zeit des Anschlags, läuteten die Glocken der Stadt zwei Minuten zum Gedenken. Licht und Gemeinschaft hatten der Dunkelheit ein Stück ihrer Bedrohlichkeit genommen.

Autor:

Thomas Nawrath

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