Gegenwelt mit Weihrauch und Gesang

Sehnsuchtsort für Orthodoxe: Ágion Óros, »Heiliger Berg«, heißt die mit 2.033 Metern höchste Erhebung, die zugleich das südöstliche Ende der Athos-Halbinsel bildet. Im Vordergrund: das Kloster Pantokratoros | Foto: Harald Krille
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  • Sehnsuchtsort für Orthodoxe: Ágion Óros, »Heiliger Berg«, heißt die mit 2.033 Metern höchste Erhebung, die zugleich das südöstliche Ende der Athos-Halbinsel bildet. Im Vordergrund: das Kloster Pantokratoros
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Das Herz der Orthodoxie schlägt auf einer kleinen Landzunge in der nördlichen Ägäis. Streiflichter einer Reise auf den Athos.
Von Harald Krille

Vier Tage sind die maximale Aufenthaltsdauer für Gäste der autonomen Mönchsrepublik Athos, die wie ein Finger am östlichen Ende der griechischen Halbinsel Chalkidiki ins Meer ragt. Und weil die Republik zwar politisch zu Griechenland gehört, ansonsten aber dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel untersteht, gibt es eine Grenze, die nur mit Visum überschritten werden darf. Und: Nur Pilger sind den rund 2.000 Mönchen willkommen. Und auch deren Zahl ist limitiert. Aber es gibt immer Wege: Die Äbte der insgesamt 20 Großklöster sind berechtigt, neben dem offiziellen Pilgerbüro weitere »Dia-
monitorio« genannte Einreisegenehmigungen auszustellen. Man braucht also jemanden mit Beziehungen. So wie Niko, den Reiseführer von Hellas-Reisen, mit dem sich die kleine Gruppe von Kirchenzeitungslesern aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen im vergangenen Jahr auf den Weg machte.
Niko nimmt die Männerrunde in Thessaloniki in Empfang und gibt erste Verhaltensregeln: Mönche dürfen nicht oder nur mit ausdrücklicher Genehmigung fotografiert werden, kurze Hosen sind tabu, beim Gottesdienst und bei den Mahlzeiten sollten auch die Arme mit Stoff bedeckt sein. Und in Unterhose nachts über den Flur einer Pilgerherberge zu gehen, kann den sofortigen Platzverweis zur Folge haben. Auch wenn nur Männer eine Daseinsberechtigung auf dem Areal haben. Übrigens sehr zum Ärger mancher EU-Vertreter, die für die als Weltkulturerbe eingestufte Klosterlandschaft Fördergelder zur Verfügung stellen und nun gegen diese »Diskriminierung« wettern.
Der Weg zum »Garten Mariens«, wie der Athos von den Mönchen genannt wird, führt über den Hafen von Ouranopolis. Niko ist sichtbar erleichtert, als er uns die im Pilgerbüro hinterlegten Einreisegenehmigungen aushändigen kann. Denn sicher ist hier nie etwas, weiß er. Dann passieren wir die Polizeikontrolle und betreten das Schiff.
Das erstes Ziel ist Nea Skiti ganz im Süden der Insel. Skiten sind mönchische Wohngemeinschaften außerhalb eines Klosters. Mehrere, zumeist junge Mönche leben mit einem »Altvater« zusammen. Viele Skiten haben Gästezimmer oder -häuser. Der Aufstieg über endlos steile Steintreppen treibt den Schweiß, auch wenn unsere Rucksäcke von einer Maultierkarawane transportiert werden.
Gastgeber-Vater Damaskenos ist nicht vor Ort, dafür umarmt uns zur Begrüßung ein rotbärtiger, deutschsprechender Mönch: Pater Philipp kommt aus dem Siegerland in Nordrhein-Westfalen. Vor etlichen Jahren war der ehemalige Katholik auf der spirituellen Sinnsuche unterwegs nach Indien. Ein Umweg führte ihn auf den Athos, wo er bei den Mönchen eine Bekehrung erlebte und letztlich selbst das Gelübde ablegte.
Nur wer nach orthodoxem Ritus getauft ist, macht er später unmissverständlich klar, kann das Heil erlangen. In der Tatsache, dass in Deutschland die orthodoxen Kirchen bereits 2007 in Magdeburg die gegenseitige Taufanerkenntnis unterzeichneten, sieht er einen leider notwendigen Kompromiss. Solche müsse die einzig wahre Kirche manchmal in Ländern eingehen, in denen die Irrlehrer aus Rom oder Wittenberg die Mehrheit haben.
Eine Haltung, die einem immer wieder begegnet. Ökumene nach unserem Verständnis gibt es zumindest für die meisten Athos-Mönche nicht. Nur die Orthodoxie allein hat, so das Selbstverständnis, den wahren Glauben und vor allem die richtigen Rituale seit der ersten Christenheit bewahrt.
Pater Meliton ist allerdings alles andere als ein religiöser Eiferer. Sein Eifer geht mehr in die praktische Richtung. Er arbeitet im kleinen Krankenhaus des Hauptortes, betreibt eine Landwirtschaft und baut gerade ein neues Gästehaus. Dennoch lässt er es sich nicht nehmen, am späten Abend für die Pilgergruppe noch den Kochlöffel zu schwingen. Pilger zu beherbergen ist für den als Einsiedler lebenden Mönch, der sich mit seiner ursprünglichen Klostergemeinschaft überworfen hat, zur Lebensaufgabe geworden.
Die Lebensaufgabe der meisten Mönche ist dagegen die Liturgie. Sie ist das Herz der Orthodoxie. Und sie hat etwas Betörendes. Auch wenn es hart ist, in aller Herrgottsfrühe dem Ruf der Glocken in die dunkle Klosterkirche zu folgen. Was in den dann folgenden Stunden mit Kerzen, Gebeten und Weihrauch, prächtigen Gewändern und begleitet von den uralten Gesängen auf den Besucher einwirkt, macht klar: Hier ist eine Spiritualität lebendig, die eine völlige Gegenwelt zum geschäftigen Alltag darstellt.
Allerdings hat diese Gegenwelt durchaus auch reale Verbindungen zur »echten« Welt. Gleicht doch so manches der Klöster einem Großunternehmen mit Landwirtschaft, Fischzucht, Weinproduktion und Ikonenmalerei. Und mitunter auch mit dubiosen Immobiliengeschäften, wie etwa das Kloster Vatopedi. Dessen Abt saß einige Jahre im Gefängnis, weil er ein dem Kloster gehörendes relativ wertloses Stück Land im Norden Griechenlands mit Hilfe hoher Politiker in ein millionenschweres Baugrundstück tauschen konnte. Und bei dem Deal zudem keine Steuern bezahlte.
Immerhin ist die Klosteranlage nunmehr prächtig in Schuss. Was Niko kommentieren lässt: »Im Gegensatz zu den vielen in Griechenland in dunklen Kanälen verschwundenen Millionen sind das so ziemlich die einzigen, mit deren Hilfe wirklich etwas Nachhaltiges entstanden ist.«

Sehnsuchtsort für Orthodoxe: Ágion Óros, »Heiliger Berg«, heißt die mit 2.033 Metern höchste Erhebung, die zugleich das südöstliche Ende der Athos-Halbinsel bildet. Im Vordergrund: das Kloster Pantokratoros | Foto: Harald Krille
Tausendsassa in Mönchskutte: Vater Meliton lebt als Einsiedler in der Zelle des heiligen Georg und Zyprianos. Tagsüber arbeitet er im Krankenhaus, ist auf den Feldern unterwegs und baut ein neues Gästehaus. Am Abend lässt er es sich nicht nehmen, den Pilgern das Abendessen zu bereiten. | Foto: Harald Krille
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