Martin und Justus

Foto: Mundgestaltung, Nordhausen

Eine Geschichte zum Weiterschreiben von Bodo Seidel

Es war am 31. Oktober 1526. Martin Luther saß an seinem Tisch im Schwarzen Kloster in Wittenberg. Vor einem Jahr hatte er Katharina aus dem Hause Bora geheiratet, ein feines Weib. Sie regierte in Haus und Hof und vor allem in der Küche. »Da brauche ich mir keine Sorgen mehr zu machen«, sagte er sich. Nun wohnte er nicht mehr allein im großen Schwarzen Kloster, denn sie sorgte für alles. »Am meisten sorgt sie sich um meinen Teller!«, lachte Luther in sich hinein. »Nur in einer Sache kann sie mir nicht helfen.« Luther kratzte sich mit der Feder am Kopf. »Oh, da habe ich wieder eine kleine Tintenspur«, dachte er. »Meine Käthe wird sie sicher wieder entdecken.«
Schon seit zwei Jahren saß er an der großen Übersetzungsarbeit. Das Neue Testament hatte er auf der Wartburg bei Eisenach vom Griechischen ins Deutsche gebracht. Vor fünf Jahren hielt er sich dort als Junker Jörg unter dem Schutz des Kurfürsten versteckt. Wie die Zeit verging.
Jetzt ging es um das Alte Testament. Das musste aus dem Hebräischen übersetzt werden und war viel dicker als das Neue Testament. Eine Mordsarbeit! Vor ihm lag nun die hebräische Bibel. Er ging an das Bücherregal und nahm ein großes Nachschlagewerk heraus und blätterte darin. Fand aber nicht, was er suchte. »Es ist doch zu schwierig! Wenn ich meinen Freund Melanchthon zur Hilfe hier hätte. Der weiß in den Sprachen immer alles … Aber der ist nun für einige Tage in Leipzig. Ich will jetzt vorwärtskommen in der Sache der Bibelübersetzung«, dachte Luther. Im großen Lesesaal der Universität stand noch ein Nachschlagewerk, das er immer nutzte, wenn es gar nicht mehr weiterging. Jetzt regnete es auch noch draußen. Er stand am Fenster und schaute auf den Hof. Pfützen bildeten sich, eine Magd trieb eine Schar Gänse hindurch. »Da bleibe ich lieber in meiner Stube. Denn wenn meine Dokumente nass werden, ist es um die Arbeit von Wochen geschehen! – Nein, dass ich jetzt ganz allein sein muss!«
Doch halt. Jetzt fällt ihm etwas ein. Justus! Freund Justus Jonas müsste zurück sein aus Nordhausen, seiner Heimatstadt. Vielleicht hat er auch ein kleines Fässchen Branntwein mitgebracht … – Wie kriege ich das raus? Ich sollte schnell einen Boten schicken. Mit einem Zettel. Wenn er Zeit hätte, könnte er gleich kommen. Martin ging an seinen Schreibtisch, nahm ein kleines Stück vom billigen Papier. Das teure sollte man nicht vergeuden. Er schrieb: »Mein treuer Freund Justus. Gnade und Friede zuvor. Amen. Eile herbei, so es Deine wertvolle Zeit übrig lässt. Du musst mir mit Deiner großen Kunst im Hebräischen beihelfen, denn ich harre hier in großem Ungemach. Es verhält sich nämlich so, dass ich die heiligen Worte der Schrift nicht gänzlich auszudeuten vermag. Hilf mir in meiner Not und steh’ Deinem Freund Martin bei.« Er wollte noch hinzufügen: »… und wenn Du noch etwas Branntwein aus Northusia mitgebracht …«. Aber das ließ er doch lieber sein.
Er faltete das kleine Papier sorgsam zusammen und schob es in ein Lederbeutelchen. Das kann der Bote zum Freunde Justus tragen. Auch unter dem Regen hindurch. Martin öffnete das Fenster und rief in den Hof: »Ein Bote eilends zur Hand! Schnell!« – Als Käthe, die drüben am Küchenfenster diese Worte hörte, das Begehren ihres Ehemannes vernahm, ließ sie nun auch ihre sehr deutliche Stimme erschallen: »Hört, wenn der Doktor ruft und eilet zur Stelle!« – Melcher, der Knecht, der immer die Marktgänge im Auftrage der Lutherin verrichtete, eilte zur Treppe, die zu Luthers Studierzimmer führte, und machte sich bereit, den Botengang zu tun.
»Na, das funktioniert ja«, lachte Luther hinter seinem Fenster. »Freund Justus wird erscheinen und wir können alsbald an der Übersetzung weiterarbeiten.« Mit einem Mal stockte er. Er sah genauer hin auf den Hof. »Das kann doch nicht wahr sein!« …

Denk dir ein tolles Ende aus …

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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