Der Traum vom Paradies

Den Weltgebetstag 2018 haben Frauen aus Surinam vorbereitet. In der Hauptstadt,
Paramaribo, liegen die Moschee und die Synagoge direkt nebeneinander. Ein Symbol für das friedliche Miteinander, auf das viele Surinamer stolz sind.

Von Dorothea Rohde

Der Taxifahrer ist hindustanisch, im Supermarkt steht eine Chinesin an der Kasse, in der Warung – einem Imbiss – wird javanisches Essen angeboten, an der Straße verkauft eine Indianerin Cassavafladen, die kreolische Lehrerin unterrichtet Holländisch und unter den breit ausladenden Ästen eines großen Baumes spielen Marronkinder – Marrons sind die Nachfahren entlaufender Sklaven – zwischen den bescheidenen Häusern. Am Sonntag im Gottesdienst kommen meist drei oder mehr verschiedene Sprachen vor.
Verschiedene Völker, verschiedene Gebräuche, verschiedene Sprachen treffen sich in Surinam im Sranan, der von allen gesprochenen Sprache des Alltags. Das Niederländische ist nach wie vor die Amtssprache. Das Leben in Surinam zeigt, dass es geht, dass verschiedene Bevölkerungsgruppen eine multikulturelle Gesellschaft bilden können. Respekt vor dem anderen ist ein hohes Gut. Auf die gelebte Vielfalt im Neben- und Miteinander ist man zu Recht stolz. Wenn Surinamer eine Botschaft formulieren sollten, dann wäre es wohl die Idee einer Gemeinschaft, in der dennoch jeder das Recht hat, seine Besonderheiten zu leben. Einheit in Vielfalt.
In den Werbebroschüren der Reisebüros kann man ungefähr so etwas lesen: Wer die Natur liebt, kann sein Herz an Surinam verlieren. Es ist eines der weltweit grünsten Länder, weite unberührte Wälder, majestätische Flüsse, exotische Flora und Fauna, freundliche Menschen, die noch im Einklang mit der Natur leben.
Und ja, so ist es im Binnenland, weit weg vom Lärm der Städte, wo nachts die Sterne heller glitzern als anderswo, und wo das, was ist, einfach nur deshalb gut und richtig ist, weil es ohne irgendeinen Zweck erfüllen zu müssen einfach eben ist – auch man selbst kann einfach sein, und es ist gut. Man kommt Gott in seiner Schöpfung nah. Das ist ein gutes Gefühl und etwas, wonach viele von uns sich als Menschen und Christen sehnen: im Einklang mit sich und der Welt zu sein. Und siehe, es war sehr gut.
Eine junge Lehrerin aus einer großen deutschen Stadt kam nach Surinam. Sie wollte »etwas tun«, nicht nur als Tourist das Land besehen. Und es gab etwas zu tun für sie – in der Stadt bei der Erarbeitung von Lehrmaterial für die Grundschule. Aber der Höhepunkt ihrer Reise war doch ein Besuch in einem Indianerdorf, ganz weit weg, an der Grenze zu Brasilien, wo man nur schwer oder gar nicht hinkommt. Sie ist mit einem kleinen Flugzeug dahin geflogen, dahin, wo das Leben noch einfach und ursprünglich ist. Als sei sie auf der Suche nach ihren Ursprüngen, sich selbst oder nach Gott. Ihre surinamischen Gastgeber waren noch nie so weit im Hinterland.
Sei es diese junge Frau, sei es der Tourist, der eine Woche in einer »Urwaldlodge« bucht, sei es der Mitarbeiter einer Nicht-Regierungsorganisation, sei es der ausländische Mitarbeiter einer Firma – sie alle zieht es ins Binnenland, dahin wo das Leben noch einfach und ursprünglich ist. Als seien sie alle auf der Suche nach ihren Ursprüngen, sich selbst oder nach Gott. An den Autos der Menschen in Paramaribo sieht man selten oder nie den typischen roten Staub von einer Fahrt über die Lateritpisten des Binnenlandes, weil sie da so gut wie nie hinfahren.
In einer Zeit endloser kriegerischer Auseinandersetzungen in aller Welt und der Überflutung mit Anleitungen zum Glück ist solches Sehnen nach einem heilen Paradies nur allzu verständlich. Und vielleicht ist es auch gerade dies Lebensgefühl, aus dem heraus Surinam das Thema »Schöpfung« für den Weltgebetstag zugewiesen bekommen hat.
Einheit in Vielfalt zu leben, im Einklang mit der Schöpfung, wo keiner zu kurz kommt, und ein jeder seine Würde hat, so wie Gott ihn gedacht hat, das könnte ein gemeinsamer surinamisch-deutscher Traum werden.

Dorothea Rohde wohnt mit ihrer Familie seit anderthalb Jahren in Surinam. Sie ist Pfarrerin der Brüdergemeine Immanuel in Paramaribo und Mitarbeiterin am Theologischen Seminar.

Autor:

Adrienne Uebbing

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