Die Ehe – nur noch ein Wortballon

Foto: Batoev – stock.adobe.com

Gedanken zur sogenannten Ehe für alle

Kommentar von Wolf Schneider

Die komplette juristische Gleichstellung der homosexuellen Lebenspartnerschaft mit der Ehe war wohl überfällig – ihr den Namen »Ehe« zu geben aber ist juristisch anfechtbar und sprachlich zum Staunen. Woher eigentlich hat der Bundestag sich das Recht genommen, einem der Kernwörter der deutschen Sprache mal eben eine andere Bedeutung aufzunötigen als die, die es seit 2 000 Jahren hat – und das in solcher Eile?
Seit dem Alten Testament ist die Ehe die Verbindung von Mann und Frau: Im Alten Testament, im römischen Recht, bei den Germanen und bis heute in allen Lexika war und ist die Ehe selbstverständlich die durch Gesetz oder Sitte anerkannte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau; ebenso selbstverständlich steht sie unter dem »besonderen Schutz« des Grundgesetzes, und es gibt wahrlich kein Indiz, dass der Parlamentarische Rat 1949 unter ihr etwas anderes verstanden haben könnte als das, was in allen abendländischen Kulturen selbstverständlich war und ist.
Hätte es nun im Bundestag wenigstens eine große Debatte gegeben, von Ausschüssen vorbereitet – vielleicht ließe sich über das Resultat ja reden.

Was scheren uns 2 000 Jahre

Auch hätte man die Deutschen einfach mal fragen können: Was würdet ihr, zumal die Eheleute, davon halten, wenn das Parlament das alte Wort »Ehe« umdefiniert? Würde das euer eigenes Eheverständnis stören? Oder würdet ihr, umgekehrt, geradezu ein bisschen geschmeichelt sein, dass eure schon so oft verspottete Institution nun plötzlich wieder begehrt zu sein scheint –
von völlig unvermuteter Seite?
Aber es war ja alles so eilig! Wahlkampf! Was scheren uns 2 000 Jahre, wenn wir der Opposition einen Vorteil entwinden können! Also stülpen wir der frisch gestärkten Lebenspartnerschaft mal eben den Namen »Ehe« über.
Neue Bedeutungen einfach zu verordnen, kennt man eigentlich nur von anderen: Natürlich, festgeschrieben sind Wortinhalte nicht. Die Duden-Redaktion tut recht daran, eine Sinnverschiebung oder einen zusätzlichen Wortgehalt zu registrieren, wenn sie sich über Jahrzehnte hin herausgebildet haben. Eine neue Bedeutung aber einfach zu verordnen: Das war bisher den Hitlers, den Stalins, den Maos vorbehalten. Und dem »Großen Bruder« in George Orwells Schreckensvision »1984«: »Die spezielle Funktion bestimmter Wörter diente ihm nicht so sehr dazu, eine Bedeutung auszudrücken, als vielmehr, sie zu zerstören.« Ehe? So what.

Der Autor ist Honorarprofessor der Universität Salzburg und Träger des »Medienpreises für Sprachkultur« der Gesellschaft für deutsche Sprache.

Autor:

Adrienne Uebbing

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