Pfingsten
Gottes Geist sprudelt

Ausgießen, auffangen, weitergeben: Der Kaskadenbrunnen im baden-württembergischen Kloster Maulbronn. Die ehemalige Zisterzienserabtei ist seit 1993 Weltkulturerbe der UNESCO. | Foto:  epd-bild
  • Ausgießen, auffangen, weitergeben: Der Kaskadenbrunnen im baden-württembergischen Kloster Maulbronn. Die ehemalige Zisterzienserabtei ist seit 1993 Weltkulturerbe der UNESCO.
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Warum feiern wir Pfingsten? Eine zunächst einleuchtende Antwort ist: »Wir feiern den Geburtstag der Kirche.« Ich war zufrieden, wenn Konfirmanden wenigstens diese Antwort parat hatten und dann noch vermuteten, dass da etwas durch den Heiligen Geist passierte.

Von Christoph Hackbeil

Pfingsten ist die Geburtsstunde der nachösterlichen Jesusbewegung. Das Stichwort »Geburtstag« ist eine Erklärungshilfe, auch wenn sie zu kurz greift. Denn nach dem Geburtstag folgt wieder der Alltag. Aber was folgt auf Pfingsten? Nach Pfingsten kommt die Trinitatiszeit. Zwar wirkt im Gedanken der Dreieinigkeit Gottes das Thema des Heiligen Geistes weiter. Aber wir beschäftigen uns in der Verkündigung nur am ersten und zweiten Pfingsttag damit.
Pfingsten als Gedenktag des Heiligen Geistes ist mir zu wenig. Ich wünschte, man könnte die Sonntage nach Pfingsten zählen. Viele Themen und Texte würden in einem anderen Licht erscheinen, wenn sie an einem Sonntag nach Pfingsten bedacht würden. Es ist gut für unsere Kirche, mehr nach dem Heiligen Geist zu fragen und um ihn zu bitten.
Die Bibel bezeugt von Anfang bis Ende, wie Gott durch seinen Geist wirkt. Er ist derselbe Geist im Alten wie im Neuen Testament. Der Heilige Geist sprengt menschliche Gottesbilder auch im Blick auf das Geschlecht. Das hebräische Wort Ruach bedeutet zunächst Wind und ist weiblich. Die »Geistkraft« übersetzt man das angemessen. Gottes Geist wird als Energie erfahren. Aber die Bibel unterstreicht den personalen Charakter des Geistes. Vor allem ist er der Geist Jesu Christi. Er lehrt Jesus Christus erkennen, anbeten und nachfolgen.

»Es ist gut für unsere Kirche,
mehr nach dem Heiligen Geist
zu fragen und um ihn zu bitten«

Die Pfingstgeschichte erklärt aber nicht, wer der Heilige Geist ist. Sie ist davon gepackt, wie er wirkt. Es geschah zum jüdischen Wochenfest, 50 Tage nach Ostern (Pfingsten heißt zunächst nicht mehr als »Fünfzig«). Da erfüllte Gottes Geistkraft Frauen und Männer, die einmütig beieinander waren. Begeisterung ergriff sie. Es war »wie Feuerflammen« oder »wie ein gewaltiger Sturm«. Diese äußeren Bilder einer intensiven Gottesnähe drückten aus, was sie innerlich erlebten. Gottes Geist rüttelte an ihnen. Ihr Denken und Fühlen wurde geöffnet für Gott.
In der Apostelgeschichte Kap. 2 durchläuft die Ausgießung des Geistes bildlich gesprochen drei Kaskadenstufen. In einem kunstvollen Brunnen sprudelt das Wasser aus einer Fontäne oben hervor, wird dann in einer Schale aufgefangen und läuft in ein Becken herab. So fließt Gottes Geist hinein in die Lebendigkeit der Anhänger Jesu. Zuerst ist der Geist göttliche Energie, die an ihnen geschieht. Er kommt überraschend und übersteigt alles Verstehen. Was hier geschildert wird, trägt die Züge einer Offenbarung Gottes.
Dann gibt derselbe Geist klare Worte. Das Wort fängt bildlich das Wasser der Fontäne auf. Sie predigen die weltverändernde Botschaft Jesu. Menschen aus aller Herren Länder verstehen sie in ihren Sprachen. Und Petrus deutet, was der Prophet Joel über den Geist angekündigt hatte.
Schließlich verleiht dieselbe Geistkraft über die Worte hinaus das klare missionarische Zeugnis der gelebten Gemeinschaft. Die Gruppe der Jüngerinnen und Jünger gewinnt Ausstrahlungskraft durch ihr gemeinsames Leben. Das ist die Schale, die das Wasser des Geistes auffängt. Sie leisten Umkehr und lassen sich taufen. Sie leben einmütig zusammen. Sie beten Gott im Tempel an. Sie halten Tischgemeinschaft in den Häusern. Sie brechen das Brot, wie Jesus es tat, und teilen alles miteinander. Ihr freudebetonter Lebensstil führt ihnen neue Anhänger zu.
Sie werden Jesu neuer Leib. Er ist das Haupt und erschafft sie durch den Geist als seine Glieder und schenkt ihnen vielfältige Gaben. So versteht es Paulus später. Menschwerdung 2.0 möchte ich das bezeichnen, was aus Pfingsten hervorging. Gott gibt sich aus Liebe weiter hinein in das Menschengeschick. Wie in Jesu Leben und Hingabe am Kreuz, so hat auch der Pfingstgeist ein deutliches Gefälle hinein in eine neue Gemeinschaft befreiter Menschen.
Nicht auf die pfingstliche Ekstase läuft alles hinaus, sondern auf das einfache Leben in der Gewissheit der Liebe Gottes. Zeichen dafür ist das pfingstliche Brotbrechen, in dem sich die Mahlgemeinschaft Jesu fortsetzt.
Ich hoffe und glaube, dass Gottes Geistkraft unserer Kirche jeweils neu die Kraft gibt, erstarrte Formen aufzubrechen und frei, klar, lebendig und kreativ zu sein. Sie soll jederzeit mit dem Heiligen Geist rechnen, der auch außerhalb ihrer Strukturen Menschen erreicht. Er leitet sie zu den geringsten Schwestern und Brüdern Jesu.

Der Autor ist Regionalbischof des Propstsprengels Stendal-Magdeburg.

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