Wie empfanden Sie den »Reformationssommer«?

Stefan 
Günther, Pfarrer und Studienleiter im Predigerseminar Wittenberg | Foto: Predigerseminar
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Die Weltausstellung Reformation ist zu Ende. Die Besucherzahlen sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Was bleibt von den Feierlichkeiten, dem sogenannten Reformationssommer? Zwei Wittenberger Pfarrer haben dazu Stellung bezogen. Die persönliche Bilanz fällt ganz unterschiedlich aus. Beide eint die Hoffnung, dass Ideen, Kontakte und Gespräche nachwirken. 

Pro
Zufällig bin ich vorbeigekommen, am Himmelskreuz auf dem Bunkerberg, einer Installation aus Edelstahl. Fremde Menschen treffen sich zum Mittagsgebet. Zeit, auf Worte der Bibel zu hören: Die Seligpreisungen. Am Ende sagte eine Frau: »Da fehlen noch welche. Selig sind die Kinder, denn sie lechzen nach Leben. Oder selig sind die, die diese Erde bewahren.« Daraus entstand ein anregendes Gespräch.
Solche Begegnungen haben die Weltausstellung zum Erlebnis gemacht. Und wer sich darauf eingelassen hat, konnte viel erleben. Im Erlebnisraum Taufe oder in einer Schmiedewerkstatt, beim Segensroboter oder in der Denkbar. Ich könnte noch viel mehr aufzählen. In der Begegnung mit Menschen auf der Weltausstellung bekam man eine Idee, was evangelische Kirche ist: Viele unterschiedliche Menschen, die gern und viel diskutieren, die
gern auch ruhig ihre Wege gehen, die gern feiern oder die sich gern etwas Schönes anschauen. Besonderes Merkmal des »Homo evangelicus«: Jede und jeder hat eine andere Meinung. Gern wird kritisiert – auch die eigene Kirche. Und wer mehr verstehen möchte, konnte bei den vielen Andachten und Gottesdiensten eine Ahnung bekommen, was evangelisches Christsein ausmacht.
Nicht alle Formate waren ansprechend, zum Glück gab es eine große Vielfalt. Man konnte auch durch die Weltausstellung gehen und danach lediglich mit den Schultern zucken. Einiges erschloss sich nicht einfach so im Vorbeigehen. Es war keine Ausstellung interessanter Dinge, sondern vielmehr eine Ansammlung vieler Ideen, die mit Liebe und Engagement präsentiert wurden.
Was bleibt? Erinnerungen an tolle Begegnungen. Anregungen, Neues auch zu Hause auszuprobieren, zum Beispiel Church@night, ein Segensgottesdienst. Es bleiben auch Kontakte, die dabei helfen, Neues zu wagen. 

Kontra
Das Herzblut und das tolle Engagement der Planer, der Durchführenden und der vielen hoch motivierten Freiwilligen standen leider in keinem guten Verhältnis zur Anzahl der Besucher der Weltausstellung. Außerhalb der Touristenmeile zwischen Lutherhaus und Schlosskirche war dies Verhältnis leider noch viel schlechter. Ein inhaltliches Gesamtkonzept war kaum zu erkennen, man hat wohl eher auf die Vielfalt eines Marktes der Möglichkeiten gesetzt.
Das Herz der Reformation, der Bezug auf Christus, Bibel, Glaube und Gnade, ist in viel zu wenigen Bereichen deutlich geworden. An manchen Stellen dafür aber sehr deutlich, wofür ich sehr dankbar bin.
Indem versucht wurde, nicht im Historischen verhaftet zu bleiben, wurde zu oft direkt inhaltlich von der Reformationszeit in die Gegenwart gesprungen, ohne die glaubensmäßigen Grundlagen des Themas deutlich machen zu können. Beispielsweise indem man über die Freiheit des heutigen Bürgers spricht, ohne auf die Verwurzelung in der Freiheit eines Christenmenschen ausreichend einzugehen. Und indem man keinen Lutherkult machen wollte, ist leider auch der Bezug zur Theologie Martin Luthers und der anderen Reformatoren zu sehr in den Hintergrund getreten.
Viele Angebote waren zu sehr auf kirchennahe Menschen gerichtet. Es ist, außer bei wunderbaren Konzerten und einigen sehr guten modernen Andachten und Gottesdiensten, kaum gelungen, die Hemmschwellen und die Sprachlosigkeit in religiösen Fragen der vielen Wittenberger zu überwinden, die noch nie eine Kirche betreten haben.
Da es aber auch sehr viele gute Ideen, Kontakte und Gespräche in diesen knapp vier Monaten gab, ist es nun an uns, an dieses Positive anzuknüpfen und es für die Zukunft fruchtbar zu machen.

Stefan 
Günther, Pfarrer und Studienleiter im Predigerseminar Wittenberg | Foto: Predigerseminar
Dr. Jürgen Hofmann, Pfarrer in Pratau bei Wittenberg | Foto: privat
Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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