»Schweigen und Beten« in der Bergfestung

Einladung zum Gebet an der Davoser Kirche St. Johann | Foto: Regula Rudolf
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Alljährlich im Januar das gleiche Spiel: Der mondäne Schweizer Kur- und Wintersportort Davos verwandelt sich in eine Art Bergfestung.

Von Harald Krille

Schwer bewaffnete Polizisten und Soldaten ziehen auf, Schützenpanzer sichern Kontrollstellen an den Zufahrtsstraßen. Im Ort wird eine Bannmeile rund um die wichtigsten Hotels und das Kongresszentrum errichtet, Stahlzäune halten ungeladene Gäste fern. Die schweizerische Luftwaffe richtet auf verschneiten Wiesen einen Hubschrauberlandeplatz ein und sichert gemeinsam mit ihren Kameraden in Österreich den Luftraum im weiten Umkreis um das Hochtal.
Davos rüstet sich in diesen Tagen für das jährliche Treffen der Reichen und Mächtigen dieser Welt, die vom 23. bis 26. Januar zum Weltwirtschaftsforum (WEF) anreisen. Und dieses Jahr, so fürchten die Bewohner, wird alles wohl noch einen Zacken schärfer. Immerhin will auch Amerikas neuer Präsident Donald Trump dem Stelldichein der Gobalisierer seine Aufwartung machen.
Im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen dann die Wirtschaftsbosse und Politiker, die versuchen, ihre Antworten auf die ökonomischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit zu finden. Und im Blickpunkt stehen die Anti-WEF-Demonstrationen, die in diesem Jahr durch Trumps Ankündigung der Anreise bereits einen ganz neuen Aufschwung bekommen haben.
Doch abseits der Vorträge und Diskussionsrunden, abseits diverser Events oder Störversuche, setzen Davoser Christen aller Konfessionen seit fast 20 Jahren einen Kontrapunkt: »Schweigen und Beten für Gerechtigkeit und Frieden« heißt ihr Motto. Dahinter verbirgt sich die Einladung, während der WEF-Tage jeweils von 18 bis 21 Uhr in der evangelisch-reformierten Kirche St. Johann besonders der Menschen im Gebet zu gedenken, die unter den aktuellen Wirtschaftsverhältnissen leiden.
»Es tut einfach gut, in die Stille zu gehen, zu beten und zu schweigen, um Kraft zu sammeln für das eigenen Handeln in der Welt«, bringt Irma Wehrli, Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirche in Davos, ihre Erfahrungen auf den Punkt. Man verstehe sich auch nicht als Protestveranstaltung gegen das WEF. Vielmehr sei »Schweigen und Beten« ein eigenständiger Beitrag von Christen. Und sie verweist auf den Ausspruch von Albert Schweitzer: »Gebete ändern nicht die Welt, aber Gebete ändern Menschen und Menschen ändern die Welt.«
Die großen Massen folgen erfahrungsgemäß nicht der Einladung in die kalte winterliche Kirche. »Manchmal sind wir nur drei, vier Leute, manchmal auch zehn und mehr«, bilanziert Regula Rudolf, die mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Peter 1999 zu den Initiatoren der Aktion zählte.
Doch nicht nur in St. Johann wird in diesen Tagen gebetet. Seit Jahren laden die Davoser Christen andere Gruppen und Kommunitäten zum Mitbeten während der Tage ein. »Verglichen mit den tausenden WEF-Gästen und ihrer geballten ökonomischen Macht sind wir wenige – aber als Christen haben wir Geschwister in der ganzen Welt«, so Regula Rudolf.
Gruppen, die sich verbindlich melden, sind dann mit Namen und einer symbolischen Kerze in der Davoser Kirche präsent.
In diesem Jahr findet das Engagement der Davoser übrigens eine besondere offizielle Anerkennung: Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Schweiz zeichnet die Gruppe mit ihrem »Oecumenica-Label« aus. Dieses »nationale Gütesiegel für beispielhafte ökumenische Arbeit« wird einen Tag vor der WEF-Eröffnung, am 22. Januar, in einem kleinen Festakt im Davoser Rathaus überreicht.

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