Lebenslänglich wegen »Spionage«

Petr Jašek mit seinen Freunden im Gefängnis Al-Houda. Pastor Hassan Kodi (2. v. l.) und der Student Abdelmoneim Abdalmwlla (ganz rechts) sind bis heute hinter Gittern. | Foto: privat
  • Petr Jašek mit seinen Freunden im Gefängnis Al-Houda. Pastor Hassan Kodi (2. v. l.) und der Student Abdelmoneim Abdalmwlla (ganz rechts) sind bis heute hinter Gittern.
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Sudan: Die Freilassung Petr Jašeks aus einem sudanesischen Gefängnis wirft ein Schlaglicht auf die bedrohliche Lage der Christen in dem Land.

Von Steffen Neumann

Nur vier Tage wollte der tschechische Entwicklungshelfer Petr Jašek im Dezember 2015 in den Sudan reisen. Es wurden 15 Monate daraus. Er hatte schon zur Rückreise eingecheckt, als ihn auf dem Flughafen in Khartum Mitglieder der Sicherheitspolizei NISS abführten. Wegen des Verdachts auf Spionage wurde er monatelang in verschiedenen Gefängnissen festgehalten. Nach einem mehrmonatigen Prozess fiel Ende Januar 2017 das Urteil: lebenslänglich wegen Spionage, Diffamierung des Staates und weiterer Vergehen. Das sind im Sudan 20 Jahre. Ende Februar gelang es dem tschechischen Außenministerium, für ihn von Staatspräsident Umar al-Baschir Be­gnadigung zu erwirken.
Was hatte Jašek getan? »Ziel meiner Reise war, Geld für die Behandlung eines Christen zu übergeben, der bei einer Demonstration großflächige Verbrennungen erlitt. Außerdem traf ich Pfarrer, die mir die Situation der Christen im Sudan schilderten und zerstörte Kirchen zeigten«, schildert Jašek. Der Geldbetrag wurde umgehend an das Krankenhaus übergeben. »Sonst hätte ihn die Geheimpolizei beschlagnahmt«, ist sich Jašek sicher. Zwei Pfarrer und ein Student mussten ihre Treffen mit ihm allerdings teuer bezahlen. Sie wurden wegen der Unterstützung von Jašeks »Spionagetätigkeit« ebenfalls monatelang festgehalten. Einer kam aus Mangel an Beweisen frei, die zwei anderen sitzen bis heute hinter Gittern.
Jašeks Beispiel dokumentiert, unter welchen Bedingungen Christen in dem mehrheitlich muslimisch geprägten Staat leben. 2011 hatte sich der eher christlich geprägte Südsudan in einem Referendum vom Kernland losgesagt. Doch Christen leben im Sudan immer noch in großer Zahl. Unterschiedlichen Angaben zufolge stellen sie bis zu fünf Prozent der Bevölkerung. Die meisten leben in der Hauptstadt Khartum und im Süden. Ihre Lage ist dramatischer denn je. Sudan gehört zu einem der für Christen gefährlichsten Staaten.
»Die Lage hat sich seit der Ausweisung fast aller christlicher Organisationen Anfang 2013 verschlimmert«, bestätigt Jašek, der für die Hilfsaktion Märtyrerkirche (HMK) arbeitet. Damals mussten die Organisationen binnen 24 Stunden das Land verlassen, ihr Besitz wurde konfisziert. Die HMK hatte zwar keine Vertretung dort, aber auch ihre Arbeit wurde erschwert, wie Jašek am eigenen Beispiel erzählt: »Ich bin mit einem Touristenvisum eingereist, war also offiziell nur Tourist. Anders wäre meine Einreise nicht möglich gewesen. Trotzdem verfolgte mich der Geheimdienst auf Schritt und Tritt und wusste von mir alles, wie ich später feststellen musste.« Der Geheimdienst konfrontierte ihn sogar mit Fotos, die mit Wärmebildkamera aufgenommen wurden. »Die haben nichts dem Zufall überlassen«, kommentiert der Nothelfer.
Auf diese Weise konnte er die systematische Zerstörung von Kirchen nicht wie geplant fotografisch festhalten. »Das hätte meine umgehende Verhaftung zur Folge gehabt«, sagt er. Aber er hat sie gesehen. »Unser Anwalt hat uns informiert, dass, allein während ich im Gefängnis saß, 25 Kirchenbauten demoliert wurden.« Von alltäglicher Diskriminierung, zum Beispiel bei der Vergabe von Jobs, gar nicht zu reden. Am stärksten betroffen sind die südlichen Provinzen Blauer Nil und Südkordofan mit dem Nubagebirge. »Hier betreibt Staatschef al-Baschir eine systematische Vertreibung der christlichen Bevölkerung«, sagt Jašek. Offiziell richtet sich der Kampf gegen die Befreiungsarmee nördlicher Südsudan (SLMP-N). »Doch die Bombenziele sind keine militärischen Anlagen, sondern Kirchen«, so Jašek. Das belegt auch ein Brief von Hilfsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch vom September an das UN-Menschenrechtskonzil. Darin sind allein für April und Mai letzten Jahres 101 Fälle von Flächenbombardements auf zivile Objekte, wie Schulen und Krankenhäuser in den genannten Provinzen, dokumentiert.
Die Strategie al-Baschirs ist nicht nur für Jašek klar. Das Staatsgebiet soll von Christen und anderen Religionen gesäubert werden. Seit der Lossagung des Südsudan verstärkte al-Baschir die Umwandlung des Sudan in einen islamisch geprägten Staat auf Basis der Scharia. Diese gilt zwar nicht uneingeschränkt, wie Jašek sagt. In einem Fall wird sie aber strikt angewandt: Wer vom Islam zum Christentum übertritt, wird mit dem Tod bestraft. Weltweit bekannt wurde der Fall der jungen Sudanesin Maryam Ishaq. Sie war von ihrer Mutter christlich erzogen. Die muslimische Familie des Vaters drängte sie aber zur Rückkehr zum Islam und zeigte sie an. Nur mit massiver weltweiter Unterstützung wurde die Todesstrafe verhindert und eine Ausreise Ishaqs und ihrer Familie ermöglicht.
Auch Jašek kennt Christen, die nur durch Flucht Gefängnis oder Tod entgingen. Das ist aber nicht die Intention der HMK. Sie setzt sich für die freie Religionsausübung der Menschen in ihrer Heimat ein. Die ist heute jedoch entfernter denn je. Mehr als 100 Millionen Christen weltweit gelten als verfolgt. Die HMK hilft in 70 Ländern, die meisten davon hat Jašek bereist. »Ich kenne nur eins, wo Christen nicht mehr verfolgt werden. Das ist der Südsudan«, bilanziert der frühere Arzt. Die HMK hilft sehr praktisch, sammelt Geld zur Versorgung der Familien Inhaftierter, Ermordeter oder Vertriebener. Sie besorgt Computer, Megaphone, Autos oder zahlt Raummiete für Versammlungen. Sie schickt Bibeln, und nicht zuletzt informiert sie über die Situation der Christen in den jeweiligen Ländern.
Jašeks Arbeit wird sich in Zukunft ändern. »Ich bin zu bekannt für meine Tätigkeit«, sagt er. Die muss oft im Geheimen ablaufen, weshalb er über vieles nicht offen sprechen kann. Er würde Menschen in Lebensgefahr bringen. Doch ein Gutes hatte seine Verhaftung. Sie sorgte für Aufmerksamkeit. »Noch während meiner Haft konnte Geld für die Familien der mit mir inhaftierten Pastoren gesammelt werden.«

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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