#praesestour 2025
Raus aus der "Bubble"

- Anna-Nicole Heinrich bei ihrer #praesestour im Gespräch mit Willi Wild
- Foto: Paul-Philipp Braun
- hochgeladen von Willi Wild
EKD-Präses Anna-Nicole Heinrich sammelt Eindrücke, die sie für ihre Arbeit in der EKD-Synode nutzen will. Bei ihrer Sommertour hat sie auch in Thüringen Station gemacht.
Von Willi Wild
Bushaltestelle „Gedenkweg Buchenwaldbahn“. Aus dem Bus der Linie 6, von Weimar kommend, steigt Anna-Nicole Heinrich aus. Es ist die letzte Station vom ersten Teil ihrer „#präsestour“. Mittlerweile zum vierten Mal ist sie, ihrem eigenen Anspruch folgend, außerhalb ihrer „Bubble“, dem innerkirchlichen Umfeld, unterwegs, um junge Menschen zu treffen und sich mit ihnen über Gott und die Welt zu unterhalten. In den vergangenen Tagen besuchte sie eine Schule, nahm an einer Übung der Bundeswehr teil und sprach in einem Boxclub mit Geflüchteten aus der Ukraine. Ihre Exkursionen stehen unter dem Thema „Krieg und Frieden“ und sie seien auch eine Art Realitätscheck für die EKD-Friedensdenkschrift, die bei der Synode im Herbst vorgestellt werden soll.
Auf dem Bahndamm, der zum ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald führt, trifft die 29-Jährige junge Freiwillige aus Polen, Belarus, Frankreich, Russland, den Niederlanden und Deutschland. Sie arbeiten im sogenannten Sommerlager der „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“ (ASF) an der Bahntrasse der Buchenwaldbahn. Dort befreien sie die Drainage von Laub und Ästen oder meißeln Namen in Feldsteine. Die Gedenksteine erinnern an die 2000 Kinder und Jugendlichen, die, weil sie als „nicht arbeitsfähig“ galten, von Buchenwald nach Auschwitz in den Tod geschickt wurden. Anna-Nicole Heinrich nimmt sich viel Zeit für Gespräche. Sie fragt nach der Motivation der Freiwilligen, und die wiederrum erzählen von Antisemitismus auf Demos oder rechten Parolen auf dem Pausenhof.
Sie will wissen, was die jungen Menschen bewegt, und ist beeindruckt von der Offenheit in den Gesprächen. Bei der Bundeswehr erzählt ihr ein Soldat mit Migrationsgeschichte, dass er mit seinem Einsatz bei der Truppe dem Land etwas zurückgeben möchte, dem er viel zu verdanken habe. Zunächst habe sie die Aussage irritiert, sagt die Präses. Aber es sei der ganz ehrliche Wunsch, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, erfährt sie auf Nachfrage. „Diese Gespräche helfen mir, den gemeinsamen Nenner auch in unterschiedlichen Äußerungen zu finden. Ich bekomme ein besseres Gespür dafür, wie unterschiedlich ein Schüler und eine Studentin ihre Ansichten und Bedürfnisse zum Ausdruck bringen und dabei eigentlich das Gleiche meinen.“
Anna-Nicole Heinrich wünscht sich mehr Räume für die junge Generation, wo diese Sorgen, Fragen und Nöte ausdrücken können, ohne gleich eine Antwort darauf geben zu müssen. Der jungen Generation werde manchmal unterstellt, dass sie faul sei, auf der Couch sitze und mit dem Handy daddele. Das sei ihr bei ihrer Präsestour nicht begegnet. Im Gegenteil: „Ich habe Menschen getroffen, die sich extremviele Gedanken machen und sich fragen, was sie für den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft beitragen können und wo sie den Unterschied machen können.“ Die Gesprächspartner hätten dabei die Dramaturgie bestimmt. Und am Ende wurde sie dann gefragt, was sie mit den Antworten nun anfangen werde. „Je jünger die Leute, desto direkter hieß es dann: Ja okay, jetzt haben wir mit dir geredet und was nun? Also was kannst du daraus machen? Wo kannst du gestalten? Was ist eigentlich deine Macht?“
Die Präses sieht sich in der Vermittlerrolle: „Ich möchte in den kirchlichen Diskurs junge Stimmen eintragen und die Positionen von jungen Menschen sichtbar machen. Gerade wenn wir im Herbst die Friedensdenkschrift der evangelischen Kirche veröffentlichen, brauchen wir ihre Stimmen. Und wo sie sich nicht selbst einbringen wollen, müssen wir ihre Perspektiven hören und eintragen – und da, wo sie es wollen, ihnen Raum geben, sich direkt einzubringen.“ Dabei beeindruckt die junge Präses, wie ernst und tiefgehend die Gedanken zu Frieden und Sicherheit sind, die sich bereits die Generation, die jünger ist als sie selbst, macht. „Sie wägen ab, haben oft noch keine endgültige Meinung – aber genau das ist ehrlich und authentisch. Ein 18-jähriger Soldat sagte: ‚Eigentlich wollte ich mich länger verpflichten, aber vielleicht bekomme ich Kinder – dann überlege ich mir das noch mal.‘ Das zeigt doch, wie verantwortlich viele mit ihren Entscheidungen umgehen – und das ist viel differenzierter, als es oft in der öffentlichen Debatte dargestellt wird.“ Deshalb sollten Verantwortungsträger in allen gesellschaftlichen Bereichen Möglichkeiten schaffen, in den Austausch zu gehen.
Jetzt geht Anna-Nicole Heinrich erst einmal in den Urlaub. Aber die Präsestour soll im September fortgesetzt werden. Bei der Tagung der EKD-Synode im November in Dresden will sie die Erfahrungen teilen und die Versprechen, die sie ihren Gesprächspartnern gegeben hat, einlösen, sich öffentlich für die Belange junger Menschen einzusetzen.
Autor:Willi Wild |
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