Erschöpft durch Pendeln

Der Weg zur Arbeit ist nicht nur zeitaufwendig, es belastet auch die Gesundheit. Im Stau und in überfüllten Bussen steigt das Risiko für Herzprobleme, Kopfschmerzen, Nervosität und Schlafprobleme. Und die Pendelzeiten werden länger. | Foto: Paolese – stock.adobe.com
  • Der Weg zur Arbeit ist nicht nur zeitaufwendig, es belastet auch die Gesundheit. Im Stau und in überfüllten Bussen steigt das Risiko für Herzprobleme, Kopfschmerzen, Nervosität und Schlafprobleme. Und die Pendelzeiten werden länger.
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Im Schnitt 45 Minuten sind Beschäftigte zwischen Wohnung und Arbeitsplatz unterwegs.

Von Sebastian Stoll

Man hat sich so sehr an sie gewöhnt, dass sie schon kaum mehr auffallen: Ob Berlin, München oder Stuttgart – jeden Werktag schieben sich morgens und nachmittags die Blechlawinen in die Großstädte und wieder hinaus. »Rund die Hälfte der Beschäftigten pendelt. Das wird allgemein als selbstverständlich hingenommen, es ist aber eine zusätzliche Belastung, die die arbeitsgebundene Zeit für die Beschäftigten verlängert«, sagt Susanne Gerstenberg von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund.
Gerstenberg und ihre Kollegen haben in einer vergleichenden Studie den aktuellen Forschungsstand zusammengetragen und festgestellt: Je besser die Verkehrsinfrastruktur wird, desto mehr Menschen pendeln auch. Dieser Trend werde sich voraussichtlich noch verstärken. Pendeln in Staus und überfüllten Straßenbahnen hat allerdings Folgen für die Gesundheit der Dauerpendler, sagen die Forscher.
»Die Zeit, die für das Pendeln aufgewendet wird, hat in den vergangenen Jahren zugenommen«, sagt Gerstenberg. Grund dafür sei im Wesentlichen die Tatsache, dass heute große Strecken leichter überwunden werden können. Eine ICE-Fahrt von Hamburg nach München in vier Stunden etwa – das eröffnet die Möglichkeit, jedes Wochenende zwischen den großen Städten zu pendeln.
Früher wäre bei solchen Distanzen ein Umzug nötig gewesen. »Auf der anderen Seite senken technische Neuerungen nicht zwingend die Mobilität. Da heute Videokonferenzen kein Problem sind, könnte man erwarten, dass Arbeitnehmer dadurch weniger reisen – die Daten deuten jedoch darauf hin, dass dem nicht so ist«, sagt Gerstenberg.
Problematisch sei diese Entwicklung deshalb, weil Mobilität die Gesundheit belaste: So klagen laut Gerstenberg Pendler überdurchschnittlich häufig über eine Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens. Komme dann noch Schichtarbeit hinzu, steige das Risiko für Herzprobleme, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Nervosität und Schlafprobleme signifikant. »Wichtig sind beim Pendeln auch die Kontextbedingungen – Pendeldauer und Entfernung, aber auch Vorhersehbarkeit, Beeinflussbarkeit und Planbarkeit«, sagt Susanne Gerstenberg. Je weniger für die Beschäftigten kalkulierbar sei, wann sie Feierabend haben – etwa wegen eines Meetings oder einer Sonderaufgabe – desto stärker falle ihre Stressreaktion aus.
Nicht nur die betroffenen Arbeitnehmer bekommen den Anstieg des Pendelns zu spüren; auch in der Umwelt zeigen sich Auswirkungen. »Der Flächenverbrauch und die Verkehrsbelastung steigen«, sagt Harald Herrmann, Direktor des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Bonn, das diesen Aspekt untersucht hat. Denn die Zahl der Pendler ist den Angaben zufolge von 53 Prozent der Arbeitnehmer im Jahr 2000 auf 60 Prozent im Jahr 2015 gestiegen.
Hinzu kommt, dass auch die durchschnittliche Länge des einfachen Arbeitsweges zugenommen hat: von 14,6 Kilometern im Jahr 2000 auf 16,8 Kilometer im Jahr 2015. Durchschnittlich 45 Minuten ist ein Pendler unterwegs. »Deshalb ist es wichtig, dass die Infrastruktur mit dem Wachstum Schritt hält und das Umland gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden bleibt«, sagt Herrmann.
Gerstenberg von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sieht auch die Arbeitgeber in der Pflicht. Für die Mitarbeiter und ihre Gesundheit sei es »wichtig, auf Kalkulierbarkeit hinzuwirken – etwa durch Gleitzeitregelungen, durch die Beschäftigte ihre Arbeit unabhängig von der Verkehrssituation gestalten können«. (epd)

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Online-Redaktion

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