Zur Erinnerung
Ein Nachruf auf Wolfram Hädicke (1953-2025)

- Pfarrer i.R. Wolfram Hädicke, Superintendent a.D. (1953 - 2025)
- Foto: Wolfram Hädicke
- hochgeladen von André Demut
Zur Erinnerung an Pfarrer i.R. Wolfram Hädicke, Superintendent a.D., 1953 - 2025, Pfarrer in Ronneburg von 1988 - 1999
Dieser Nachruf von Dr. André Demut erscheint in der Juni-Ausgabe des Ronneburger Anzeigers.
„Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter.
Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer.
Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht.“
Lothar Zenetti
Wolfram Hädicke war solch ein Mensch, der aus der Hoffnung, aus der Liebe und aus dem Glauben lebte. Es berührt mich sehr, dass er am 19. Mai 2025 an den Folgen einer schweren Erkrankung verstarb.
Ich verdanke ihm viel – von 1995 bis 1997 war er mein Vikariats-Mentor zur Vorbereitung auf den Pfarrberuf. Oft saß ich im Wohnzimmer der Familie Hädicke, das den Pfarrersleuten Cornelia und Wolfram Hädicke als Arbeitszimmer diente. Obwohl das Ronneburger Pfarrhaus groß ist, war die Wohnfläche damals begrenzt – auch auf der Wohnetage der Pfarrfamilie hatte der Evangelische Kindergarten Räume zur Nutzung. Wir bereiteten gemeinsam Veranstaltungen vor, besprachen Predigtentwürfe, lasen in der Bibel, beteten miteinander und tauschten uns aus zu allem, was uns bewegte.
„Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter.“ Wolfram Hädicke sah weiter, er sah über den Tellerrand des täglichen Klein-Klein hinaus – sowohl zu DDR-Zeiten als auch nach der deutschen Wiedervereinigung. Er sah die langen Linien, welche die uralten Bibeltexte in unser Leben ziehen: Die Bewahrung der Schöpfung in einer Landschaft, die durch gigantische Abraumhalden geprägt war. Den Wert von Frieden und Verständigung im „real existierenden Sozialismus“, wo die militärische Erziehung in den staatlichen Kindergärten begann. Der Einsatz für die Würde jedes einzelnen Menschen, auch wenn dieser Mitmensch andere Meinungen vertritt als ich selbst.
1988 war Pfarrer Hädicke zusammen mit seiner damaligen Frau Cornelia, geb. Weißleder nach Ronneburg gekommen. Wolfram Hädicke gab im selben Jahr den Anstoß, mit dem „Kirchlichen Umweltkreis Ronneburg“ eine Bürgerbewegung zu gründen, der sich auch Menschen ohne Bezug zu Glaube und Kirche anschlossen. Vermutlich haben viele Ronneburger damals dieses Engagement als sinnlos oder gefährlich angesehen. „Was soll das bringen, kritische Fragen zur Umweltbelastung zu stellen - inmitten einer scheinbar allmächtigen Diktatur?“
Wolfram Hädicke hat sich von solchen Bedenken nicht beirren lassen. Und mit dieser Geradlinigkeit hat er vielen anderen Menschen Mut gemacht. Als sich nach der Wiedervereinigung ungeahnte Möglichkeiten boten, hat er noch im Jahr 1990 (!) zusammen mit den Mitstreitern des Kirchlichen Umweltkreises eine Tagung mit hochrangigen Vertretern aus Politik und Wissenschaft organisiert, bei der wesentliche Rahmenbedingungen für die Mammut-Aufgabe der Uranbergbausanierung festgelegt wurden. Als die ersten Planungen für die Bundesgartenschau in Gera und Ronneburg Mitte der 1990er Jahre bekannt wurden, hat er sich öffentlichkeitswirksam für eine nachhaltige Gestaltung dieser BUGA 2007 eingesetzt. Sehr gern denke ich an eine persönliche Begegnung mit ihm bei einer Andacht an der Gedächtniskapelle auf den Lichtenberger Kanten vor wenigen Jahren. Auch dieses wunderbare Projekt der Erinnerung an die dem Bergbau geopferten Dörfer hat er mit langem
Atem begleitet und gefördert – weit über seinen persönlichen Abschied von Ronneburg im Jahr 1999 hinaus.
„Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht.“ Wolfram Hädicke war solch ein Mensch. Er sah im Mitmenschen eine von Gott geliebte Person, die mit einer unverlierbaren Würde begabt ist. Und das für alle Menschen - und nicht nur für diejenigen, die dieselbe Meinung vertreten wie ich selbst. Die Selbstgerechtigkeit, mit der in unserer Gegenwart viele gesellschaftliche Debatten geführt werden, lehnte Wolfram Hädicke ab. Schon im Jahr 2019 sprach er sich dafür aus, so lange es irgend geht, mit allen Menschen im Gespräch zu bleiben:
„Ich bin ein unbedingter Befürworter des Gesprächs – auch mit schwierigen Partnern. Dazu gehört, dass das Gegenüber nicht als Person beschädigt wird. Mit dieser Herangehensweise haben wir damals auf dem Wismutfeld viel erreicht. Ich finde es schwer erträglich, wie zunehmend nur noch in Schwarz-Weiss-Schemata gedacht wird und Menschen in Schubladen sortiert werden.“
Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer. Wolfram Hädicke war solch ein Mensch. Er hatte bei vielen Themen eine klare Position, die sich aus seinem Nachdenken über die biblischen Texte und die christliche Tradition ergab.
Eine menschenfreundliche Haltung gegenüber Flüchtlingen, der Einsatz für einen schonenden Umgang mit unserer natürlichen Umwelt oder das Eintreten für friedensstärkende Maßnahmen statt militärischer Aufrüstungslogik waren für ihn unmittelbare Schlussfolgerungen aus seinem Glauben an Gott.
Sein letzter Vortrag – schon schwer erkrankt – über „Atomenergie-Renaissance oder energiepolitische Sackgasse?“ macht beispielhaft deutlich, was ihn sein Leben lang prägte: Er war in der Lage, die eigene Position kritisch von anderen Meinungen befragen und herausfordern zu lassen.
Ich verneige mich vor der Lebensleistung von Wolfram Hädicke.
Seine Hoffnung, sein Glaube und seine Liebe wird uns fehlen.
Ich wünsche mir, dass sein Wirken in Ronneburg nicht vergessen wird.
Und ich bin gewiss, dass er jetzt in Gottes Liebe geborgen ist, die ihn schon sein ganzes Leben lang getragen hat und ihn Vieles in dieser Welt tiefer sehen ließ.
Von Oberkirchenrat Dr. André Demut. Nach seiner ersten Pfarrstelle in Nischwitz war er von 2006 bis 2013 selbst Pfarrer in Ronneburg. Seit 2021 vertritt er die Evangelischen Kirchen in Thüringen beim Landtag und bei der Landesregierung im Freistaat Thüringen.
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