Das erste Sakrament der Christenheit
DIE VASENTAUFE

Eine Taufe war abgesetzt, das erst Sakrament der Christenheit.
Sakrament, das heißt: heilige, reinigende Handlung. So habe ich es
einst gelernt und später versucht, es meinen Konfirmanden und
Konfirmandinnen beizubringen. Martin Luther, der Reformator,
hatte im 16. Jahrhundert die Zahl der Sakramente von sieben auf
zwei reduziert. Sein Maßstab dafür war: ein Wort Gottes (Christi)
sollte sich mit einem ein Zeichen verbinden. Das Wort Gottes bei
der Taufe ist der Taufbefehl Jesu wie er Matthäus 28 geschrieben
steht: "Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker und taufet sie
im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes..."
Das Zeichen bei der Taufe ist das Wasser, versteht sich. Der eigen-
ständige oder stellvertretende Glaube soll dazu kommen und wird
im Glaubensbekenntnis, zumeist dem sogenannten Apostolikum,
ausgesprochen. Dann kann man bei der Taufe nichts falsch machen.
In der Regel tauft der Pfarrer oder der Priester. In der Not kann  aber
auch, nach evangelischen Verständnis, jeder Christ taufen: also der
Arzt, die Hebamme oder der Vater. Dann reicht es, wenn die Tauf-
formel gesprochen und der Säugling dreimal mit Wasser übergossen
wird. Die Nottaufe wird dann unter Angabe der Zeugen beim Pfarrer
angemeldet und gilt wie jede andere Taufe.
Also eine Taufe war angesetzt. Die Kantorin Barbara Jabin war vor Ort.
Nur Frau Fohmann, die treue Küsterin, war ausnahmsweise abwesend.
Oldisleben hat eine Taufkanne aus Silber, die an die Pest des Jahres1681
erinnert, der von 520 Einwohnern 483 zum Opfergefallen waren. Ein
Wolfgang Balzweiler hat sie damals aus Dankbarkeit gestiftet, nachdem
die Pest zum Stillstand gekommen war. Diese Taufkanne war in meinem
Amtszimmer aufbewahrt. Die Küsterin forderte sie an, füllt sie mit war-
mem Wasser und stellte sie auf den Taufstein der Kirche. Ich hatte ver-
säumt das selbst zu tun. 
Der Tauf-Gottesdienst begann und verlief nach Muster, bis die Taufe selbst
nahte, und ich bemerkte, dass die Taufkanne fehlte. Mir fuhr der Schrecken
durch die Glieder! Was sollte ich tun? Ich ging zum Großvater des Täuflings,
einem gestandenen Handwerker und Feuerwehrmann, und sagte: "Ich habe
die Taufkanne vergessen! Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder
singt die Gemeinde einen Choral, bis ich wieder hier bin? Oder wir taufen
aus der Vase? In der Sakristei ist Wasser, und Sie wissen, es kommt auf das
Wasser an und nicht auf das Behältnis!" Die Antwort kam prompt: "Wir tauf-
en aus der Vase!" 
Und so geschah es. Der aus der Vase Getaufte ist herangewachsen und ein
kräftiger junger Mann geworden, ganz wie Vater und Großvater. Eine beson-
re Freude war es mir, dass er später auch konfirmiert wurde! Aber auf die
Taufkanne habe ich danach immer geachtet!

Autor:

Martin Steiger

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