Wettern, was das Zeug hält

Luther und Sprache – der Reformator ist für seine deftige Sprache bekannt. Doch das war zu seiner Zeit nicht unüblich. Auch seine Gegner polemi­sierten mit drastischen Worten.

Von Thomas Krüger

Er beschimpfte Albrecht von Brandenburg als »Scheiß-Bischoff« und titulierte den katholischen Theologen Johannes Eck als »Doktor Sau«: Oft drastisch und polternd, zugleich bildhaft und volksnah habe Martin Luther für die Sache der Reformation gekämpft, sagte die Münsteraner Kulturwissenschaftlerin Heike Plaß. »Solche Rohheiten wirkten damals nicht so anstößig und abstoßend, wie wir sie aus heutiger Sicht empfinden«, erklärte Plaß, die sich in ihrem Buch »Wer wettert am originellsten?« mit der heiter-polemischen Seite der Reformationsgeschichte beschäftigt.
Die gesamte Sprache des ausgehenden Mittelalters sei »sehr direkt und angreifend« gewesen, führte die Autorin aus, die im Kirchenkreis Münster in Westfalen das Referat für Erwachsenenbildung leitet. Den Papst als »Esel« zu bezeichnen, sei damals nicht unbedingt eine Grenzüberschreitung gewesen. Mit seiner derben Ausdrucksweise sei Luther im Sprachgebrauch seiner Zeit geblieben. »Da war er nicht der Einzige und hat seinerseits auch einstecken müssen«, so Plaß.
So habe der Franziskanermönch Thomas Murner den Wittenberger Reformator als »großen lutherischen Narren« verspottet, den man nach seinem Tode in einer Latrine (wörtlich: in einem »Scheißhaus«) begraben sollte. Der Humanist Murner, einer der wortgewandtesten Gegner Luthers, musste sich seinerseits die Verballhornung seines Namens zum »Murr-Narr« gefallen lassen, der als rolliger Kater nächtliches Katzengeschrei von sich gibt, wie es in der pro-reformatorischen Flugschrift »Karsthans« 1521 hieß.
Nicht nur in deftigen Worten, auch in karikaturistisch-satirischen Bildern seien Protestanten und Katholiken öffentlich übereinander hergefallen, erläuterte die Volkskundlerin Plaß. Der Franziskaner Murner, der selbst im »Karsthans« vielfach mit einem Katzenkopf dargestellt wurde, ließ Luther mit einer zweizipfeligen Narrenkappe und aufgeblähtem Leib zeichnen, denn der Reformator sei »mit vielen anderen Narren schwanger«. Die gegenseitige Zuschreibung von Tiernamen sei ebenfalls gang und gäbe gewesen, sagte Plaß. In einem Austausch von polemischen Schriften nannte Luther seinen theologischen Widersacher Johannes Eck den »Bock zu Leipzig«, dieser revanchierte sich mit der Anrede »An den Stier zu Wittenberg«.
Martin Luther sei von seinem Temperament her ein Choleriker gewesen, erläuterte die Autorin. Er habe »nicht nur mit gleicher Münze heimgezahlt, sondern oft noch eins draufgegeben«. In Luthers Tischreden zeige Luther »unter seinesgleichen« aber auch Mutterwitz und ausgefeilten Humor. Dieser reiche aber nicht an Humanisten wie Erasmus von Rotterdam heran, der seine Kritik an den kirchlichen Verhältnissen »edel verbrämt« habe.
Bei ihren Nachforschungen zu den Polemiken der Reformationszeit habe sie anfangs gedacht, die Protestanten seien origineller gewesen, räumte Plaß ein. Nach entsprechenden katholischen Quellen habe sie ungleich länger suchen müssen, weil diese schlechter erschlossen seien. Mögliche Ursache: Erst nachdem die katholische Kirche erkannt hatte, dass die reformatorische Bewegung ernst zu nehmen war, holte sie zum Gegenschlag aus. Am Ende seien sich beide Seiten aber »nichts schuldig geblieben«, resümierte die Wissenschaftlerin. (epd)

Plaß, Heike: Wer wettert am originellsten? Luther-Verlag, 304 S., ISBN 978-3-7858-0692-0, 12,95 Euro
Bezug über den Buchhandel oder den Bestellservice Ihrer Kirchen­zeitung: Telefon (0 36 43) 24 61 61

Autor:

Adrienne Uebbing

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