Mission im Land der aufgehenden Sonne

1901 eingeweiht: die Deutsche Evangelische Kirche 
zu Shanghai | Foto: Bundesarchiv  R 57/10648
  • 1901 eingeweiht: die Deutsche Evangelische Kirche
    zu Shanghai
  • Foto: Bundesarchiv R 57/10648
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Das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach gründete ab 1884 Gemeinden in Tokio und Shanghai
Von Carlies Maria Raddatz-Breidbach

Im ausgehenden 19. Jahrhundert pflegte das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach Kontakte zu den Ländern im asiatischen Raum – wissenschaftliche und politische Interessen spielten eine Rolle. Mit der Gründung des Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsvereins (AEPM) 1884 wurde auch die Kirche des Großherzogtums in Japan und China aktiv. In ihrem Auftrag sollten kultur- und religionspolitisch versierte Missionare gen Osten entsandt werden, um einen gleichberechtigten Dialog mit Nichtchristen zu ermöglichen.
Einer der Mitgründer des AEPM, der Schweizer reformierte Pfarrer Wilfrid Spinner, etablierte bereits 1885 in Tokio eine Auslandsgemeinde – den Bedenken mancher dortiger Deutscher zum Trotz, die wegen ihrer japanischen Lebensgefährtinnen eine moralisierende Aufsichtsinstanz fürchteten. Spinners 1886 in Yokohama gegründete Gemeinde umfasste etwa 110 Seelen. Weil auch zahlreiche Japaner mit Deutsch- oder Englischkenntnissen von der Vortrags- und Beratungstätigkeit des Schweizer Theologen angesprochen wurden, konstituierte sich 1887 in Tokio die japanische evangelische Hongô-Gemeinde. Eine zweite Pfarrstelle für Tokio-Yokohama wurde errichtet und mit Otto Schmiedel (1887–1891) und Carl Munzinger (1890/91) besetzt.
Nach diesem Modell wollte der AEPM bald auch in Shanghai eine deutsche Gemeinde gründen. Angesichts der Warnungen des dortigen AEPM-Missionars und Sinologen Ernst Faber, dass die Mission unter Chinesen mit der Leitung einer deutschen Gemeinde unvereinbar sei, führte Spinner 1891 Gespräche in Shanghai. Drei Jahre später entsandte man von Weimar aus den Religionsgeschichtler Heinrich Hackmann in die neu gegründete Deutsche Evangelische Gemeinde Shanghai, die 1895 in die Landeskirche aufgenommen wurde.
Der Missionsdienst in Asien war eng mit der Kolonialpolitik verzahnt: So hatte der Pfarrer auch die in Shanghai liegenden deutschen Kriegsschiffe zu betreuen; Lebensmittelpunkt der in Shanghai ansässigen Deutschen war das kolonial geprägte International Settlement, von dessen großstädtischer Infrastruktur Chinesen ausgeschlossen blieben. Hackmann jedoch lernte Mandarin, studierte Sohar und Koran und pflegte Kontakte zu angelsächsischen Missionaren und Sinologen.
Für die Arbeit der Gemeinde brachten 90 Gemeindeglieder – Deutsche, Schweizer, Österreicher und Dänen – ca. 1700 £ Jahresbeiträge auf. Mit der Unterstützung deutscher Firmen gelang 1895 die Gründung der deutschen Schule für Kinder aller Konfessionen, die Hackmann leitete. Er betreute alle deutschen Seeleute und richtete für sie ein »Lesezimmer« ein.
Dem Wunsch der Gemeinde, die Gast der methodistischen Union Church war, nach einer eigenen Kirche entsprach der Großherzog mit einer privaten Spende und einem Aufruf an die deutschen Fürsten und Hansestädte. Auch Wilhelm II. beteiligte sich. So konnten 1901 Schulgebäude und Kirche eingeweiht werden. Hackmann genoss Ansehen weit über die Gemeinde hinaus.
Wie er waren auch seine Nachfolger, Friedrich Boie (1901–1907) und Wilhelm Ruhmer (1907/8), Gemeindepfarrer, Schulleiter, Marineseelsorger und Seemannsmissionar zugleich. Boie gelang die Aufnahme nichtdeutscher Kinder in die Schule, wofür ihn der Kirchenvorstand als zu »freisinnig« kritisierte. Unter Ruhmer wurde ein Seemannsheim mit einem Stellenvermittlungsbüro eröffnet.
Die Gemeinde Tokio-Yokohama entfaltete sich trotz finanzieller Engpässe unter Spinners Nachfolgern und besteht noch heute. Die Pfarrstelle Shanghai besetzte die Landeskirche 1911 mit dem Missionar und Sinologen Wilhelm Schüler, der eng mit der Mandarin Church zusammenarbeitete und das Unterrichtsangebot um Chinesisch erweiterte. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1913 konnte keine Neubesetzung erreicht werden. Eine wirkliche Verbindung zu Shanghai war nicht entstanden, sodass sich die Gemeinde um 1921 von der Landeskirche löste. Ihre Einrichtungen aus der Weimarer Zeit blieben aber bis in die 1930er-Jahre von Bedeutung.

Die Autorin ist Kirchenarchivrätin, Jena

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