Jesus kommt

Das Altarfenster in der Himmelfahrtskirche in Berlin-Gesundbrunnen thematisiert die Himmelfahrt Christi. In der Theologie wird der Himmel als der Ort verstanden, an dem der auferstandene Christus bei Gott ist. Christen hoffen, dass er von dort wiederkommt, um einen neuen Himmel und eine neue Erde zu schaffen. | Foto: epd-bild
  • Das Altarfenster in der Himmelfahrtskirche in Berlin-Gesundbrunnen thematisiert die Himmelfahrt Christi. In der Theologie wird der Himmel als der Ort verstanden, an dem der auferstandene Christus bei Gott ist. Christen hoffen, dass er von dort wiederkommt, um einen neuen Himmel und eine neue Erde zu schaffen.
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Soll man diese Aussage »Jesus kommt« mit einem Ausrufezeichen oder einem Fragezeichen versehen? Der Advent, der mit dem heutigen Sonntag beginnt, weist uns auf die Ankunft Jesu hin.

Von Hans Schwarz

Mit der Krippe und dem neugeborenen Jesuskind können viele Menschen noch etwas anfangen. Kleine Kinder sind süß. Man kann sie in den Arm nehmen, an die Brust drücken und sie liebkosen. Aber Advent hat nicht nur mit der Vorbereitung auf die Ankunft Jesu im Stall von Bethlehem zu tun. Advent weist weit darüber hinaus auf die Wiederkunft Christi am Ende der Zeit und am Ende der Welt. Hier wird es schon viel schwieriger, an solch ein Kommen Jesu Christi am Ende der Zeiten zu glauben.
In den Abschiedsreden des Johannesevangeliums sagt Jesus zwar zu seinen Jüngern: »In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn’s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass auch ihr seid, wo ich bin.« (Johannes 14,2f.).
Inzwischen sind allerdings fast 2 000 Jahre vergangen und Jesus Christus ist immer noch nicht wiedergekommen. Wir bekennen zwar im Apostolischen Glaubensbekenntnis, dass Jesus Christus zur Rechten Gottes sitzt, also dort ist wo die Entscheidungen Gottes fallen, und »von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten«. Ist das nur ein Lippenbekenntnis oder glauben wir wirklich, dass Christus einst wiederkommen wird? Sollen wir uns damit bescheiden, dass sowohl er als auch die frühe Christenheit sich geirrt haben, wie sich schon viele Menschen geirrt haben, wenn sie Aussagen über die Zukunft trafen. Der Volksmund weiß ja, »irren ist menschlich.«
Nun war allerdings Jesus nicht nur ein Mensch wie wir, sondern er war gottgleich, sozusagen das menschliche Antlitz Gottes. So konnte Jesus von sich sagen: »Wer mich sieht, der sieht den Vater« (Johannes 14,9). In Jesus begegnen wir also jemandem, der stellvertretend für Gott spricht. Aber das könnte auch eine Anmaßung gewesen sein. Wir brauchen hier nur an Adolf Hitler denken, der sich mit »Heil Hitler« begrüßen ließ, also mit der Aussage, dass in ihm das Heil sei. Als dann nach zwölf Jahren das sogenannte Tausendjährige Reich in Schutt und Asche versank, war es klar, dass man einem Verführer und keinem Führer aufgesessen war. Die bloße Behauptung an Gottes Stelle zu stehen, genügt auch bei Jesus nicht. Deswegen war das Weihnachtsfest, also das Fest, an dem wir an das Kommen Jesu auf Erden gedenken, für die Christen nicht zentral.
Von Anfang an war für die Christenheit das Osterfest mit Karfreitag und Ostersonntag das zentrale Fest und der Anker für den christlichen Glauben. Denn Christus erlitt zwar wie alle Menschen den Tod. Aber das war für ihn nicht das Ende. Gott erweckte ihn zu neuem Leben. Ohne das Ereignis der Auferstehung, dass selbst für die engsten Nachfolger Jesu zunächst unglaubwürdig erschien, weil es so ganz unserer menschlichen Erfahrung widerspricht, hätte es nie einen christlichen Glauben gegeben und schon gar nicht ein Christfest. Es wäre nichts zu feiern gewesen, denn Jesu Ankündigung des Reiches Gottes hätte sich als Wunschdenken herausgestellt. Nun ist aber Christus auferstanden, wie selbst ein Paulus, der als Saulus zunächst die Christen verfolgte, sich eingestehen musste.
Auferstehung heißt allerdings nicht, dass Jesus sozusagen in sein früheres Leben auf Erden zurückkehrte, sondern dass sich in seinem neuen Leben als der Auferstandene schon etwas von dem abzeichnete, was er seinen Nachfolgern versprochen hatte: ein neues unvergängliches Leben in der unmittelbaren Gegenwart Gottes. So konnte ihn Paulus dann »den Erstgeborenen von den Toten« und »das Ebenbild des unsichtbaren Gottes« nennen (Kolosser 1,18.15). Unsere Hoffnung über den Tod hinaus ist also in Christus begründet, dass uns eine Auferstehung wie die seine zuteil wird. Was heißt das aber für die Wiederkunft Christi? Kommt Christus noch einmal oder werden wir gleichsam zu ihm in sein himmlisches Reich heimgeholt?
Eine Heimholung könnte bedeuten, dass zwar unser sterblicher Körper bei unserem Tod dem Verfall und der Verwesung anheimfällt, dass aber doch etwas Unsterbliches wie unsere Seele, dann von Christus in die Ewigkeit Gottes geleitet wird. Damit würden die Geschicke auf unserer Erde weiterlaufen, während wir der Zeitlichkeit und ihren Problemen enthoben sein würden. Von der Erwartung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, von der der Seher der Johannes-Offenbarung spricht (Offenbarung 21,1), müssten wir uns dann verabschieden. Die Weltgeschichte, in irdischer oder kosmischer Dimension würde weiterlaufen, als wäre nichts geschehen. Eine sogenannte Erlösung oder ein Reich Gottes würde sich also abseits dieser Welt verwirklichen. Solche Vorstellungen widersprechen aber sowohl dem Selbstverständnis Jesu als auch dem, was Christen durch die Jahrhunderte als Erlösung verstanden.
Für Christen war es selbstverständlich, dass Christus wiederkommen wird als die sichtbare Verkörperung Gottes, um das Ende unserer Weltgeschichte und damit die Erlösung von aller Widerwärtigkeit und Ungerechtigkeit in dieser Welt einzuläuten. Die Hoffnung der Christen war niemals auf eine Entrückung von dieser Welt fixiert, sondern auf die Veränderung dieser Welt zur neuen Welt Gottes, eine Veränderung, die durch die Wiederkunft Christi als des Auferstandenen bewirkt wird. Wieweit sich diese neue Welt Gottes ausdehnen wird, ob in kosmischen Dimensionen oder auf unsere planetarische Heimat beschränkt, sollten wir zu Recht Gott überlassen. Wenn wir allerdings im Advent nur an das erste Weihnachten denken und uns darauf mit Geschenken und dem üblichen Weihnachtstrubel beschränken, dann haben wir das Wesentliche vergessen: Jesus als der Christus ist keine Gestalt der Vergangenheit, an dessen Geburt vor über 2 000 Jahren wir zu Weihnachten denken, sondern er ist auch der Grund der Hoffnung, durch dessen Wiederkunft wir auf eine neue Erde und einen neuen Himmel hoffen dürfen. Erinnerung und Hoffnung gilt es in dieser Adventszeit neu zu
bedenken.

Der Autor ist emeritierter Professor für Evangelische Theologie an der Universität Regensburg.

Autor:

Adrienne Uebbing

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