Weltweite Mission ist alternativlos

Mission und Klimawandel: Das Atoll Tarawa gehört zum pazifischen Inselstaat Kiribati. Berechnungen zufolge könnte das Gebiet 2050 größtenteils nicht mehr bewohnbar und spätestens 2070 überschwemmt sein. | Foto: Government of Kiribati/CC BY 3.0
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  • Mission und Klimawandel: Das Atoll Tarawa gehört zum pazifischen Inselstaat Kiribati. Berechnungen zufolge könnte das Gebiet 2050 größtenteils nicht mehr bewohnbar und spätestens 2070 überschwemmt sein.
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Ist es noch notwendig zu missionieren? Diese provokante Frage wird dem Direktor des Leipziger Missionswerks oft gegestellt. Und er hat eine klare Antwort.

Von Ravinder Salooja

Sie lautet: Ja! Denn solange der Missionsauftrag Jesu nicht erfüllt ist, besteht die Notwendigkeit für Mission fort. »Zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit« (Lukas 4,18) – lautet dieser Auftrag Jesu konkret.
Solange wir in einer Welt der Diskriminierung, der Ungerechtigkeit, des Krieges, der Zerstörung von Umwelt und Natur leben, besteht die Notwendigkeit von Mission. An den Rändern und bei den Marginalisierten beginnt Gottes Verwandlung der Welt. Dabei ist Marginalisierung nicht auf Armut begrenzt, und die Gefangenschaft des Menschen kommt in ganz verschiedenen Formen daher.
In der neuen Missionserklärung des Weltrats der Kirchen von 2012/2013 spielt das Thema der »Mission von den Marginalisierten und von den Rändern her« eine zentrale Rolle: Jenseits jeglicher paternalistisch geprägten Fürsorge bestimmen die Menschen, die an den Rand gedrückt und marginalisiert werden, die Themen der Weltmission. Deshalb wunderte es nicht, dass die Weltmissionskonferenz vor zwei Wochen Raum dafür bereitstellte, Stimmen aus Situationen der Marginalisierung zu Wort kommen zu lassen.
So zum Beispiel Adi Mariana Waqa, eine junge Studentin aus Fidschi, von der Insel Taveuni: »Ich gehöre zu den Völkern des Pazifischen Ozeans, die reich sind an Geschichte, Spiritualität, Tradition und Wissen. Seit zweihundert Jahren nun ankert die Kirche in unseren Gewässern, bringt uns die Gute Nachricht von Christus und verändert unsere religiöse Landschaft.«
Marginalisierung heute erlebt Mariana Waqa im vom Menschen gemachten Klimawandel, der ihre Welt zu vernichten droht, was bereits in zunehmenden und gewaltvoller werdenden tropischen Wirbelstürmen zu spüren ist. Marginalisierung aber findet statt auch im Bestreben internationaler Firmen, die Risikotechnologie des Tiefseebergbaus einzusetzen. Vor der Küste Papua-Neuguineas sollen im kommenden Jahr die ersten Tiefsee-Baustellen verwirklicht werden.
Abgesehen von den unberechenbaren ökologischen Folgen und Risiken, greift diese Technologie in den kulturell-spirituellen Lebensraum der Menschen im pazifischen Raum ein, wie es schon einmal im Zuge des Kolonialismus geschehen ist. Auch davon spricht Mariana Waqa: Dass das Evangelium unter den Flügeln des Kolonialismus zu den Menschen des Pazifiks gebracht wurde. Das führte zu einer umfassenden Verurteilung der einheimischen Kultur, Spiritualität und Religiosität als wild, lasziv und barbarisch.
Arusha, der Ort an dem die Weltmissionskonferenz in diesem Jahr stattfand, ist für die Leipziger Mission besonders in dieser Perspektive ein schmerzlicher Ort sowie ein heilsames Mahnmal. Nach zehn Jahren intensiver Debatte in Leipzig, ob man überhaupt Missionare in das deutsche Kolonialgebiet in Ostafrika entsenden soll, kamen vor 125 Jahren die Leipziger als erste deutsche Missionare am Fuß des Kilimandscharo an. Drei Jahre später, 1896, sollte die Ausweitung der Arbeit zum benachbarten Berg Meru erfolgen.
Ewald Ovir und Karl Segebrock wurden vom Häuptling der Wameru, eingeladen und erhielten einen Bauplatz für die Missionsstation zugewiesen. Wenige Tage später lagerte eine deutsche Militärtruppe in der Nähe. Ein nächtlicher Angriff agitierter, jugendlicher Kämpfer auf diese Militärtruppe konnte abgewehrt werden; auf ihrer Flucht aber töten sie die beiden Leipziger Missionare. Darauf hin führte die deutsche Kolonialtruppe eine Strafaktion durch, bei der viele Männer der Warusha und Wameru getötet, Kinder und Frauen vertrieben, Vieh und Land konfisziert wurden.
Mit dem Bau einer befestigen Militärstation, die den Grundstein der heutigen Stadt Arusha bildet, wurde die verbleibende Bevölkerung zwangsweise dauerhaft in die koloniale Gesellschaft integriert.
Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Beziehungen von Leipzig nach Tansania 1993 bat der tansanische Bischof Paulo Akyoo um Vergebung für die Ermordung der Missionare durch dessen Vorfahren. »Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern« – reagierte darauf hin Joachim Schlegel, der damalige Direktor der Leipziger Mission und brachte damit die eigene schuldhafte Verstrickung in das koloniale Agieren Deutschlands zur Sprache.
Die Weltmissionskonferenz in Arusha war ein wichtiger Ort, um die Strukturen der Macht und die Situationen der Marginalisierung von Menschen bewusst zu machen. Die Leipziger Mission unterstützt deshalb Partner in der lutherischen Kirche in Papua-Neuguinea in ihrem Bestreben, den Tiefseebergbau an ihrer Küste kritisch ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit zu rücken und die Zivilgesellschaft zum Widerstand zu mobilisieren.
Das also ist eure Mission? Ja, das ist die Mission Gottes, an der wir als Christinnen und Christen, als Kirche in Deutschland und weltweit, als Missionswerk teilhaben wollen. Dass Gott bei den Marginalisierten beginnend die Welt verwandelt, darin herrscht große Einigkeit bei den auf der Weltmissionskonferenz anwesenden Kirchen und Missionsgesellschaften aus aller Herren Länder und allen Schattierungen des Christentums. Indem wir uns für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einsetzen, legen wir Zeugnis von Jesus, dem Christus, dem Heiland ab: Er kam nicht als Gewaltherrscher in die Welt. Sein Missionsauftrag entspricht seiner ärmlichen Geburt im Viehstall und seinem elenden Ende als gekreuzigter Verbrecher ebenso wie seinem heilenden Lebensweg an den Rändern der Gesellschaft seiner Zeit.
Dabei wollen wir den Ruf Jesu, ihm nachzufolgen, verbreiten und Menschen in seine Nachfolge einladen, damit der Auftrag für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung zum Ziel gelangt. Wir haben das Ziel, dass alle Menschen Anteil bekommen am Leben in Fülle, das Gott für uns geschaffen hat und das er uns verheisst.
In Solidarität mit Christen und Kirchen weltweit müssen wir uns in Deutschland zwei Fragen stellen: Wo sind bei uns Bereiche der Marginalisierung, wo werden bei uns Menschen an den Rand gedrängt und wo nimmt bei uns Gottes Mission ihren verwandelnden Anfang?
Und wo haben wir als Kirche einer Wohlstandsgesellschaft Anteil daran, dass Menschen bei uns und anderswo an den Rand gedrückt werden? Wo müssen wir uns – wie schmerzhaft auch immer es sein mag – von Gottes verwandelnder Mission ergreifen lassen?
Diese Mission Gottes findet nicht nur in anderen Ländern und am Ende der Welt statt, sondern vor unserer Haustür, in unserer Heimat.

Der Autor ist Pfarrer und Direktor des Leipziger Missionswerkes. Sein Vater stammt aus Indien.

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