Klinikseelsorge
Ja, es gibt Wege

Beistand: Die Belastung auf den Stationen ist groß – ebenso das Bedürfnis nach spiritueller Begleitung. | Foto: epd-bild/Jens Schulze
  • Beistand: Die Belastung auf den Stationen ist groß – ebenso das Bedürfnis nach spiritueller Begleitung.
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Die Zentralklinik in Bad Berka ist „Level-1-Krankenhaus“ für schwerste Corona-Fälle. Die Eindrücke von Klinikseelsorger Martin Krapp werden im folgenden Beitrag zusammengefasst.
Ein Erlebnis hat Martin Krapp besonders bewegt: Er berichtet über den verzweifelten Telefonanruf einer Ehefrau, dessen Mann in höchst schwieriger Situation auf der Corona-Intensivstation liegt. Die Not der Frau, die ihren Ehemann wegen des Hygiene-Managements nicht besuchen darf, ist groß. Krapp ist bewusst, dass es derzeit auf der Station eine Menge anderer Probleme gibt. Trotzdem ruft er auf der Station an und schildert die Notlage. „Mich hat beeindruckt, wie bei all dem Stress auf dieser Station mir ruhig und verständnisvoll von einer Schwester zugehört wurde“, erzählt er. Man versprach ihm, über das Besuchsanliegen der Frau nachzudenken. Man wolle tun, was machbar sei.
Klinikseelsorge in Corona-Zeiten ist schwierig. Auf der anderen Seite wissen Krapp und seine katholische Kollegin Katharina Pomm über die Belastungen für Angehörige, Patienten und das Pflegepersonal. Er erlebt ein großes Bedürfnis nach spiritueller, geistlicher Begleitung. Oftmals sind nur kleine Gesten möglich, die den Klinikalltag heilsam für einen Augenblick unterbrechen. Ein achtsames Hinhören oder ein wertschätzendes Lächeln, ein aufmunterndes Wort. Das habe derzeit mehr Chancen als groß angelegte missionarische Aktionen.
„Wir sehen uns als Gesprächspartner und seelische Unterstützung.“ Dazu gehöre neben dem persönlichen Kontakt die Bereitstellung des „Raumes der Stille“, der Kapelle am zentralen Ort in der Klinik. Dieses Angebot wird von den Pflegekräften gern genutzt. „Ein kurzes ›Luftholen‹ an diesem Ort bei all den gerade jetzt bestehenden Diensten tut gut – dies hören wir immer wieder und freuen uns, diesen Raum dafür anbieten zu können“, sagt der promovierte Theologe. Adventskranz, Weihnachtsbaum und Krippenfiguren sorgen für vorweihnachtliche Stimmung.
Klinikseelsorge findet in diesen Tagen oft am Telefon statt: Gespräche mit Angehörigen, Schwestern, Pflegern und Ärzten, um beispielsweise zwischen Familien und Pflegepersonal zu vermitteln. Ferner sei es möglich, unter Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen Seelsorge in der Kapelle anzubieten, sagt Krapp. Und es gibt Sonntagsgottesdienste und Andachten, die übertragen werden.
Beistand könne zwar nicht „diktiert“ werden, so der Pfarrer. Aber gerade für Pfleger und Ärzte sei die Möglichkeit zu einem Seelsorgegespräch wichtig, um "gut für sich selbst sorgen zu können". Das gelte besonders im Hinblick auf die enorme Belastungssituation und das Thema Triage, meint er.
In vielen Regionen Deutschlands warnen Intensivmediziner bereits vor der Triage, also dem Zwang, Patienten zur Behandlung auszuwählen, weil die Betten und das Personal nicht für alle ausreichten. In Bad Berka hat man den Normalbetrieb heruntergefahren und viele planbare Operationen verschoben, um mehr Kapazitäten zu schaffen.
Eine tatsächliche Triage-Situation sei ihm aus der Zentralklinik zwar bisher nicht bekannt, sagt Krapp. Dass eine solche Priorisierung vielleicht schon praktiziert wurde, erscheint ihm jedoch realistisch. Im Moment werde das Thema im Ethik-Komitee des Hauses diskutiert. "Ich gehe davon aus, dass Mitarbeiter, die mit solchen Konflikten konfrontiert werden, sachlich und professionell agieren können", sagt Krapp.
Die Frau, die ihren an Corona erkrankten Ehemann besuchen wollte, rief Krapp einige Tage später erneut an. Sie erzählte ihm, dass die Station ihr einen Besuch ermöglicht habe. Allerdings habe sie ihren Mann nur noch tot vorfinden können, berichtet der Klinikseelsorger. "Ich war erstaunt, wie innerlich ruhig die Frau nun war. Es hatte ihr unendlich gut getan, persönlich und von Angesicht zu Angesicht Abschied nehmen zu können."
Gerne hätte die Frau am Ewigkeitssonntag auch den Gottesdienst in der Klinik besucht, was wegen der Hygienevorschriften allerdings nicht möglich war, berichtet Krapp. Stattdessen habe man vereinbart, dass er ihren verstorbenen Mann mit in sein Gebet einschließe, während sie auf dem Friedhof in Weimar an seinem Grab steht. "Ja, es gibt Wege", sagt Krapp. "Auch wenn es alles andere als einfach ist."

Aufgeschrieben von 
Beatrix Heinrichs

Autor:

Beatrix Heinrichs

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